Wochenrückblick

Die Schweiz im Sicherheitsrat KW 4/2023

von Johann Aeschlimann | Januar 2023
Themen der Woche waren Mali, Sudan, Syrien, Haiti und der Frage, wie Frieden nicht nur geschaffen, sondern auch erhalten werden könne. Hinter verschlossenen Türen beriet der Rat die verschärfte Diskriminierung von Frauen in Afghanistan und die durch israelische Militäraktionen und palästinensische Anschläge verschärfte Lage in den israelisch besetzten Palästinensergebieten.

Mali: Islamistische bewaffnete Gruppen haben im Land einen Quasi-Bürgerkrieg ausgelöst, eine UNO-Blauhelmtruppe (MINUSMA) soll laufenden Befriedungsbemühungen den Rücken stärken. Aber seit die durch einen Putsch gelangte Militärjunta mit der privaten russischen Wagner-Truppe zusammenarbeitet, haben mehrere Staaten (Deutschland, Grossbritannien und andere) die Mitwirkung an MINUSMA aufgekündigt. Der zuständige UNO-Sondergesandte informierte über die Lage. Die Schweiz teilte dem Rat mit, Mali sei seit 1977 ein «Schwerpunktland der schweizerischen Entwicklungszusammenarbeit» und der Weg zur Befriedung des Landes ein langer. Sie sprach internationalen Vermittlungsbemühungen ihre Unterstützung aus, forderte die Einhaltung von Kriegs- und Menschenrecht, zeigte sich besorgt über die humanitäre Lage und forderte ausreichende finanzielle Ausstattung und volle Bewegungsfreiheit für MINUSMA.

Friedenserhaltung: 80 Staaten beteiligten sich an der Debatte über peacebuilding and sustaining peace. Gegenwärtig sei die höchste Anzahl gewaltsamer Konflikte seit dem Ende des zweiten Weltkriegs im Gange, erklärte die stellvertretende Generalsekretärin der UNO, Amina Mohammed, zu Anfang. 2 Milliarden Menschen – ein Viertel der Weltbevölkerung – seien davon betroffen. Als Rezeptur gegen das Übel empfahl Frau Mohammad die «nachhaltige Entwicklung» (sustainable development). Dazu haben die UNO-Mitgliedsstaaten die «Agenda 2030» mit 17 sustainable development goals vereinbart, die bis 2030 erreicht werden sollen. In der Debatte wurde der Einbezug von Frauen in Friedensbemühungen betont, die Bedeutung frühzeitiger Massnahmen («Prävention») hervorgehoben und mehr Zusammenarbeit zwischen dem Sicherheitsrat und der «Kommission für Friedenskonsolidierung» (peacebuilding commission – Schweiz im Vorsitz der Burundi-Konfiguration) gefordert. Einige Staaten wiesen darauf hin, dass Friedensbemühungen finanziell unterfüttert sein müssen. «Eine Strategie ohne Mittel ist eine Halluzination», sagte der Vertreter Kanadas. Die Schweiz plazierte einen Werbespot für “Genfer Friedensgespräche”, erklärte, dass Friedensbemühungen einen langen Atem brauchen, dass sie vor allem auf die lokalen Akteure abstellen und auf zuverlässigen wissenschaftlichen Daten abstellen müsse.

Sudan und der Internationale Strafgerichtshof (ICC): Die Verfolgungen in der Region Darfur sind der erste Fall, den der Sicherheitsrat dem Internationalen Strafgerichtshof in Den Haag überwiesen hat. Der Chefankläger des ICC erklärte dem Rat, der Prozess gegen einen Führer der Janjaweed-Milizen, Abd-Al-Rahman, werde im kommenden Monat abgeschlossen, obwohl Sudan die gegenüber dem Gericht eingegangenen Kooperationsverpflichtungen nicht eingehalten habe. Als Beispiel nannte er Verzögerungen bei der Erteilung von Visa für Gerichtsmitarbeiter. Der russische Vertreter sagte, die Schuld für das Zögern Sudans liege bei Strafgericht selbst, das keine unparteiische Institution sei, sondern bestehende internationale Rechtsnormen beuge. Die Schweiz dankte dem Strafgericht für den «opferzentrierten Ansatz» und erklärte, der laufende Prozess zeige die “vorbeugende und versöhnende Rolle» des Gerichts, indem er Opfern und Überlebenden eine Stimme verleihe.

Nach der Debatte gaben die dem ICC beigetretenen Sicherheitsratsmitglieder – darunter die Schweiz – am Presse-stakeout vor dem Sitzungssaal eine Erklärung ab, in der sie dem Chefankläger ihr Vertrauen aussprachen und sich hinter den Strafgerichtshof als «unabhängige und unparteiische Justizinstitution» stellten. Reporterfragen wurden nicht beantwortet.

Syrien: Der UNO-Sondergesandte für Syrien nannte Syrien ein gespaltenes Land, in dem «fünf ausländische Armeen, zahlreiche syrische bewaffnete Gruppen und Terroristen» aktiv seien. Die humanitäre und ökonomische Krise habe “epische Proportionen”. Die Hälfte der Bevölkerung sei vertrieben. Die Vertreterin von OCHA (UNO-Koordination für humanitäre Hilfe) erklärte, fast 70 Prozent der Bevölkerung, 15.3 Millionen Personen, bedürften humanitärer Unterstützung, aber der benötigte Finanzbedarf sei zu weniger als der Hälfte gedeckt. Die Debatte verlief entlang der bekannten Fronten. Auf der einen Seite der Vorwurf an die syrische Regierung, nichts zu einer politischen Lösung beizutragen, auf der andern die Klage über «ausländische Intervention», die eine politische Lösung verhindere und «terroristische Aktivitäten» auslöse. Die Schweiz bedauerte die laufenden Verletzungen von Kriegs- und Menschenrecht und versicherte, das Bestmögliche zu tun, um die stockenden Verfassungsverhandlungen in Genf zu unterstützen.

Haiti: Die für Haiti zuständige UNO-Gesandte forderte eine internationale Spezialtruppe zur Unterstützung der Polizei. Anders hätten weder eine im Dezember unterschriebene nationale Vereinbarung zur politischen Normalisierung noch die vom Sicherheitsrat beschlossenen Sanktionen eine Chance. Haiti ist politisch gelähmt, steht vor einem ökonomischen Kollaps, verschärft durch den Ausbruch von Cholera (5 Millionen Menschen sind von «akutem Hunger» bedroht) und leidet unter einem blutigen Krieg zwischen kriminellen Banden (gangs). Diese setzen Mord und Vergewaltigung zur Einschüchterung der Bevölkerung ein. In der Debatte wurde der Vorschlag einer internationalen Polizeihilfe nicht explizit aufgenommen. Mehrere Staaten verlangten die Umsetzung der Sanktionsbeschlüsse. Die Schweiz verurteilte die Verbrechen der gangs, empfahl Strafverfolgung der Täter und Betreuung der Opfer, verwies auf die langjährige Schweizer Präsenz in Haiti und versprach weitere Unterstützung lokaler Organisationen.

Schweizer Erklärungen:

Mali

Friedenserhaltung

Sudan

Erklärung der ICC-Mitglieder

Syrien

Haiti
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