Wochenrückblick

Die Schweiz im Sicherheitsrat KW 7/2023

von Johann Aeschlimann | Februar 2023
Die Erdbebenhilfe in Nord-Syrien und die Kriege in der Ukraine und im Jemen haben den Sicherheitsrat beschäftigt. Zu zwei längerfristigen Themen wurden «offene Debatten» geführt. Die eine über die  durch die Klimaerwärmung entstehende Erhöhung der Meeresspiegel, die für zahlreiche Staaten existenzbedrohend sein wird – die zweite über die im Krieg ausgeübte Gewalt gegen Kinder, die im Widerspruch zum Völkerrecht steht. In geschlossener Sitzung hat der Rat sich über die nukleare Bewaffnung Nordkoreas orientieren lassen.

Erdbebenhilfe: Erneut sind die Schweiz und Brasilien vor die Mediengetreten und haben sich als Vermittler für Verhandlungen im Rat über « jede als nötig befundene Aktion» angeboten. Nach einem Besuch des UNO-Hilfskoordinators vor Ort hatte die syrische Regierung angekündigt, zwei weitere Übergänge an der Grenze zur Türkei zu öffnen. Ein bereits offener Grenzübergang war vom Sicherheitsrat für die humanitäre Versorgung der Erdbebenopfer in den nordsyrischen Rebellengebiete verordnet worden, ohne Damaskus zu fragen. Die Katastrophenhilfe in Nordsyrien ist ungenügend. Das Wo und Wie des «humanitären Zugangs» bleibt ein politischer Spielball zwischen den Vetomächten. Frankreich fordert eine weitere Sicherheitsrats-Resolution zur Erzwingung des «humanitären Zugangs», falls die Lage sich nicht verbessere. Als penholder im Dossier sind die Schweiz und Brasilien gefordert. Sie betonten, dass der „humanitäre Imperativ“ momentan für sie absoluten Vorrang hat.

Ukraine: Wie in den Jahren zuvor, trat der Rat auf russischen Antrag zum Jahrestag des Minsker Abkommens zusammen, das 2015 einen Weg zur Befriedung der russisch-ukrainischen Grenzkonflikte verhiess, mit dem russischen Überfall und der einseitigen Unabhängigkeitserklärung von Donetsk und Lugansk aber hinfällig geworden ist. Wer welche Bestimmungen wann verletzt hat, ist unter den kriegführenden Seiten umstritten. Die Schweiz hob die Bedeutung der OSZE (Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa) hervor und sprach deren Sondermission ihre Unterstützung aus. In der kommenden Woche wird der Rat ebenfalls auf russischen Antrag über die Zerstörung der russisch-deutschen Öl-Pipeline Nord Stream II debattieren. Während der Sicherheitsrat gelähmt und handlungsunfähig ist, läuft die grosse politische Auseinandersetzung zum Ukrainekrieg in der UNO-Generalversammlung. Dort wird zum Jahrestag des russischen Angriffs über einen Resolutionstext verhandelt.

Nordkorea: Hinter geschlossenen Türen hat der Rat die Situation diskutiert, die Nordkorea (DPRK – Democratic People’s Republic of Korea) mit der Erhöhung der Kadenz von Erprobungen atomwaffenfähiger Raketen schafft. Die Weiterentwicklung des nordkoreanischen Atom-Arsenals ist durch Resolutionen des Sicherheitsrats verboten und mit Sanktionen belegt. Weitere Beratungen sind für nächste und übernächste Woche angesetzt. Die Schweiz präsidiert den Ausschuss, der die Einhaltung und Wirkung dieser Sanktionen überprüft.

Kinder und Krieg: :Unter dem Etikett «Kinder in bewaffneten Konflikten» (Children in Armed Conflict CAC) ist der Schutz von Minderjährigen im Krieg seit zwei Jahrzehnten Thema Sicherheitsrat. In dieser Woche haben zwei Sonderberichterstatterinnen Bilanz gezogen: Die Verletzung bestehender Normen ist «auf schockierend hohem Niveau», in den 25 von der UNO beobachteten «Situationen» werden Kinder getötet, verstümmelt, als Soldaten rekrutiert, entführt, es werden Schulen wissentlich zerstört, und es wird der Zugang für humanitäre Hilfe abgeschnitten. Das Gewicht der Debatte lag auf der Prävention. Die Gründerin der von Minderjährigen getragenen Bewegung «Kinder für den Frieden» aus Kamerun schilderte ihre Aktivitäten, unter anderem die Entwaffnung und Reintegration von 5000 Kindersoldaten im Projekt Silence the Guns. Die Schweiz verwies auf die «nahezu universell anwendbare» UNO-Kinderrechtskonvention und andere völkerrechtliche Instrumente und forderte unabhängige, ungehinderte Überwachung ihrer Einhaltung.

Jemen: Der UNO-Sonderbeauftragte berichtete über laufende Bemühungen um einen Waffenstillstand. Das bestehende Sanktions-Regime (Kontensperrungen, Reisebeschränkungen) wurde verlängert.

Meeresspiegel: Die absehbare Erhöhung der Meeresspiegel und ihre sicherheitspolitischen Folgen waren Gegenstand einer gigantischen «offenen Debatte”. UNO-Generalsekretär Guterres zitierte jüngste Daten des Weltwetterdienstes (WMO World Meteorological Organization): Die Meeresspiegel sind seit 1900 schneller gestiegen als in jedem Jahrhundert der letzten 3000 Jahre. Auch wenn die Erderwärmung “mirakulöserweise” auf  1,5 Grad Celsius beschränkt werden sollte, werden die Spiegel weiter steigen, bei 2 Grad Celsius um das Doppelte. In jedem Szenario werden Staaten wie Bangladesch, China, Indien oder die Niederlande und Städte wie Kairo, Lagos, Kopenhagen, London, Los Angeles oder New York zu Risikogebieten. 900 Millionen Menschen leben in betroffenen Küstenzonen, Massenhafte Migration, wirtschaftliche Zusammenbrüche, Verknappung von Ressourcen sind Folgen. Kleine Inselstaaten im Pazifik sind in ihrer Existenz bedroht. In der Debatte variierten die meisten Teilnehmer diese Aspekte. Die Schweiz, vertreten durch den stellvertretenden Staatssekretär Thomas Gürber, Chef der für die multilaterlan Organisationen Abteilung im EDA, forderte den Sicherheitsrat auf, «Frühwarnsysteme» einzurichten, welche auf absehbare Folgen für die internationale Sicherheit hinwiesen. Die UNO-Seerechtskonvention müsse als Richtschnur gelten. Der Anstieg der Meeresspiegel stelle aber auch neuartige rechtliche Probleme. Gürber erklärte, die Schweiz arbeite aktiv an Lösungen mit. Er erwähnte die mit Norwegen lancierte Nansen Initiative (Migration) und die in bei der UNO in Genf angesiedelte  Platform on Disaster Risk Reduction.

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