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Fünf Fragen an Simone Wyss-Fedele

von SGA ASPE | April 2023
„Gewisse Partner sagen uns: Ihr müsst Euch entscheiden, wo Eure Freunde sind“

Simone Wyss Fedele, Chefin der schweizerische Exportförderungs-Institution Switzerland Global Enterprise über die Auswirkungen des Grossbanken-Debakels und die globale Blockbildung.

 

Wie verspüren Sie den Untergang der Credit Suisse?

Die CS hat eine wichtige Rolle bei der Exportfinanzierung, und wir haben Fragen erhalten, wie es mit dieser Dienstleistung weitergeht. Wir bieten keine Exportfinanzierung an und haben diese Fragen an die schweizerische Exportrisikoversicherung weitergeleitet. Wir müssen zuwarten, aber ich denke, dass die UBS auch weiterhin Exportfinanzierung anbieten wird. Im Übrigen beobachten wir keine negativen Auswirkungen auf die Internationalisierung der Schweizer Wirtschaft.

Es ist viel vom Ende der Globalisierung, wirtschaftlichen Konflikten und einer Blockbildung um die USA auf der einen und China auf der anderen Seite die Rede. Was kommt auf die Schweizer Wirtschaft zu?

Blockbildung ist das Stichwort. Wir können noch nicht absehen, ob wir uns auf zwei stabile Blöcke – hier USA «and friends», dort  China «and friends»– ähnlich wie im Kalten Krieg einstellen müssen, oder ob es flexiblere Konstellationen je nach Bereich geben wird. Je nachdem wird der Spielraum, in dem wir die Schweizer Wirtschaft sich sozusagen «neutral» zwischen den Blöcken bewegen können, grösser oder kleiner.

Der Ukrainekrieg verstärkt die Frontenbildung: Hier Freund, da Feind. Wir der Spielraum zurzeit enger?

Es gibt die Versuche, sich zwischen die Fronten zu stellen wie es Südafrika oder Brasilien tun. Aber das kostet etwas. Partner in gewissen Ländern sagen uns: «Ihr müsst Euch entscheiden, wo Eure Freunde sind». Wichtig ist sich zu erinnern, dass die Schweiz in ihren aussenwirtschaftlichen Beziehungen nie den Alleingang gewählt hat. Deshalb ist die Bereitschaft des Bundesrats, mit der EU neu zu verhandeln, ein gutes Zeichen in diesen Zeiten.

Der «Westen» ist ein labileres Gebilde als auch schon. Wohin bewegt sich Europa angesichts der Blockbildung?
Das müssen Sie Europa fragen. Es gibt viel Unsicherheit heute, das wird vielleicht noch zehn oder zwanzig Jahre so sein. Sollten wir irgendeinmal gezwungen sein, zwischen Blöcken zu wählen, sagen uns Schweizer Firmen, dass es für sie entscheidend sein werde, wo die EU steht. Der Marktzugang zur EU ist für die Schweizer Wirtschaft bei weitem am wichtigsten, weit wichtiger als der Zugang zu den Märkten in den USA oder in China.

Was hat aus aussenwirtschaftlicher Sicht Priorität im Verhältnis der Schweiz zur EU?

Dringlich sind die Absicherung des schweizerischen Marktzugangs und die Beteiligung am Forschungsprogramm Horizon. Hier herrschen Unsicherheit und Verunsicherung bei den betroffenen Unternehmungen. Und Unternehmungen sind mobil. Wir beobachten, dass Firmen, die für den Zugang zum europäischen Markt notwendigen Investitionen vermehrt in der EU und nicht in der Schweiz tätigen. Ein Beispiel ist die Medizinaltechnik. Dort sind die Abkommen über die gegenseitige Anerkennung technischer Regeln ausgelaufen. Hunderte von Firmen benötigen nun EU-Zertifikate, wenn sie ihre Produkte exportieren wollen, und sind auf einen Zweitstandort in der EU angewiesen. Im nächsten Jahr wird die Maschinenindustrie betroffen sein.

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Dr. Simone Wyss Fedele ist Ökonomin und seit 2019 CEO von Switzerland Global Enterprise. Vorstandsmitglied der SGA-ASPE.