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Kriegserinnerungen
von Johann Aeschlimann & Florian Krempke*
| März 2023
Johann: Hallo Florian, vor 20 Jahren begann der Golfkrieg, in dem die USA und ihre Verbündeten den Irak angriffen und Saddam Hussein stürzten Für Dich ist das Geschichte, Du warst Sieben Jahre alt. Erinnerst Du Dich daran?
Florian: Hallo Johann, tatsächlich ist der Golfkrieg der erste, den ich aktiv mitbekommen habe. Meine Eltern haben sowohl den Tagesanzeiger, als auch die NZZ abonniert und ich erinnere mich daran, wie mein Vater mir die Kriegsbilder erklären musste, die ich auf den Titelseiten gesehen habe.
Johann: Meine erste Erinnerung an Krieg ist der Ungarnaufstand 1956. Wir waren auf dem Feld, und einer der Knechte sagte «Z’ Ungarn isch Chrieg». Ich hatte total Angst und rannte heim. Hattest Du auch Angst?
Florian: Nein, Angst hatte ich keine. Ich glaube hauptsächlich, weil mir das Konzept Krieg damals noch viel zu abstrakt war und der Irak doch sehr weit weg ist. Ich kann mir aber gut vorstellen, dass ich es anders empfunden hätte, wäre es wie bei Ungarn in unmittelbarer geografischer Nähe gewesen.
Johann: Ich hatte Albträume, zum Schreien. Ich war jeweils bei Vaters Freund in den Ferien. Der hatte ein Kino, und ich durfte vor dem Film die «Wochenschau» schauen. Dort sah man die russischen Panzer in Budapest in die Menge fahren. Hast Du auch bewegte Bilder gesehen?
Florian: Nein, ich habe die Bilder ausschliesslich in den Zeitungen gesehen. Aber das hatte einen profanen Grund: Meine Eltern sind Zeitungsleser und schauen keine Fernsehnachrichten.
Johann: Was hat Dein Vater Dir zu den Kriegsbildern gesagt?
Florian: Er hat mir dann erklärt, dass Saddam Hussein ein böser Mann ist, der seinem Volk böses tut (um in der Sprache eines Siebenjährigen zu bleiben) und gleichzeitig die Kriegsbilder bei uns in der Schweiz, beziehungsweise im Westen Bestürzung auslösen sollten – mit dem Ziel, dass sich so ein Krieg nicht wiederholen wird.
Johann: Für uns damals war ganz klar, wer Feind war und wer Freund: Die Russen waren die Unterdrücker und Invasoren, die Ungaren diejenigen, die sich selber verteidigten. Das stand in allen Zeitungen und ist das einzige, was ich aus den Gesprächen der Erwachsenen mitbekommen habe. Ein wenig wie heute im Fall der Ukraine. Hast Du auch ein solches Freund-Feind-Schema mitbekommen?
Florian: Das politische Ausmass habe ich überhaupt nicht mitbekommen. Und an eine politische Einordnung meiner Eltern kann ich mich nicht erinnern. Ich habe im Kopf, dass sie mir vor allem mitgaben, Krieg an sich ist das falsche Mittel.
Zusätzlich muss man sagen, dass es vermutlich nur selten vorkommt, dass das Freund-Feind-Schema so eindeutig ist, wie beim Angriffskrieg Russlands.
Johann: Haben die Lehrer in der Schule mit Euch über den Krieg gesprochen, oder blieb das zwischen Dir und Deinen Eltern?
Florian: Nein, das kam erst später als ich älter war. Zum Beispiel beim Arabischen Frühling und den darauf folgenden Bürgerkriegen.
Hast du andere Erfahrungen gemacht?
Johann: Als ich zur Schule ging, waren es weniger die Lehrer und eher die Schüler, die über die damaligen Kriege sprachen. Vietnam und so. Aber ich erinnere mich, dass Schüler in Bern schulfrei erhielten, um an eine Demonstration gegen den Golfkrieg zu gehen. Meine Tochter, US-Bürgerin, ging nicht hin. Sie sagte, sie sei gegen den Krieg, aber der Tenor in der Klasse sei «gegen die Amerikaner» gerichtet gewesen, und weder ein Lehrer noch sonst jemand habe widersprochen. Ich war sehr stolz auf sie.
*Florian Krempke ist 27 Jahre alt und besorgt seit Mitte März das Büro der SGA-ASPE. Johann Aeschlimann ist 72 und verantwortlich für die Webseite. Ein Erfahrungsaustausch über erste Erinnerungen an einen Krieg.
Florian: Hallo Johann, tatsächlich ist der Golfkrieg der erste, den ich aktiv mitbekommen habe. Meine Eltern haben sowohl den Tagesanzeiger, als auch die NZZ abonniert und ich erinnere mich daran, wie mein Vater mir die Kriegsbilder erklären musste, die ich auf den Titelseiten gesehen habe.
Johann: Meine erste Erinnerung an Krieg ist der Ungarnaufstand 1956. Wir waren auf dem Feld, und einer der Knechte sagte «Z’ Ungarn isch Chrieg». Ich hatte total Angst und rannte heim. Hattest Du auch Angst?
Florian: Nein, Angst hatte ich keine. Ich glaube hauptsächlich, weil mir das Konzept Krieg damals noch viel zu abstrakt war und der Irak doch sehr weit weg ist. Ich kann mir aber gut vorstellen, dass ich es anders empfunden hätte, wäre es wie bei Ungarn in unmittelbarer geografischer Nähe gewesen.
Johann: Ich hatte Albträume, zum Schreien. Ich war jeweils bei Vaters Freund in den Ferien. Der hatte ein Kino, und ich durfte vor dem Film die «Wochenschau» schauen. Dort sah man die russischen Panzer in Budapest in die Menge fahren. Hast Du auch bewegte Bilder gesehen?
Florian: Nein, ich habe die Bilder ausschliesslich in den Zeitungen gesehen. Aber das hatte einen profanen Grund: Meine Eltern sind Zeitungsleser und schauen keine Fernsehnachrichten.
Johann: Was hat Dein Vater Dir zu den Kriegsbildern gesagt?
Florian: Er hat mir dann erklärt, dass Saddam Hussein ein böser Mann ist, der seinem Volk böses tut (um in der Sprache eines Siebenjährigen zu bleiben) und gleichzeitig die Kriegsbilder bei uns in der Schweiz, beziehungsweise im Westen Bestürzung auslösen sollten – mit dem Ziel, dass sich so ein Krieg nicht wiederholen wird.
Johann: Für uns damals war ganz klar, wer Feind war und wer Freund: Die Russen waren die Unterdrücker und Invasoren, die Ungaren diejenigen, die sich selber verteidigten. Das stand in allen Zeitungen und ist das einzige, was ich aus den Gesprächen der Erwachsenen mitbekommen habe. Ein wenig wie heute im Fall der Ukraine. Hast Du auch ein solches Freund-Feind-Schema mitbekommen?
Florian: Das politische Ausmass habe ich überhaupt nicht mitbekommen. Und an eine politische Einordnung meiner Eltern kann ich mich nicht erinnern. Ich habe im Kopf, dass sie mir vor allem mitgaben, Krieg an sich ist das falsche Mittel.
Zusätzlich muss man sagen, dass es vermutlich nur selten vorkommt, dass das Freund-Feind-Schema so eindeutig ist, wie beim Angriffskrieg Russlands.
Johann: Haben die Lehrer in der Schule mit Euch über den Krieg gesprochen, oder blieb das zwischen Dir und Deinen Eltern?
Florian: Nein, das kam erst später als ich älter war. Zum Beispiel beim Arabischen Frühling und den darauf folgenden Bürgerkriegen.
Hast du andere Erfahrungen gemacht?
Johann: Als ich zur Schule ging, waren es weniger die Lehrer und eher die Schüler, die über die damaligen Kriege sprachen. Vietnam und so. Aber ich erinnere mich, dass Schüler in Bern schulfrei erhielten, um an eine Demonstration gegen den Golfkrieg zu gehen. Meine Tochter, US-Bürgerin, ging nicht hin. Sie sagte, sie sei gegen den Krieg, aber der Tenor in der Klasse sei «gegen die Amerikaner» gerichtet gewesen, und weder ein Lehrer noch sonst jemand habe widersprochen. Ich war sehr stolz auf sie.
*Florian Krempke ist 27 Jahre alt und besorgt seit Mitte März das Büro der SGA-ASPE. Johann Aeschlimann ist 72 und verantwortlich für die Webseite. Ein Erfahrungsaustausch über erste Erinnerungen an einen Krieg.