Kolumne

Neuausrichtung der Aussenwirtschaftspolitik

von Markus Mugglin | März 2021
Das Schweizer Stimmvolk will mehr Aussenpolitik in der Aussenwirtschaftspolitik und nicht umgekehrt. Also mehr Achtung auf die Erhaltung der natürlichen Lebensgrundlagen und der Menschenrechte. Dafür stehen das knappe Ja zum Freihandelsabkommen mit Indonesien und das noch knappere Nein zur Konzernverantwortungsinitiative.

 

«Weckruf für die Handelspolitik», «ein Denkzettel», «Des accords qui devront être reverdis» - so tönte es aus dem Blätterwald am Tag nach der sehr knappen Zustimmung zum Freihandelsvertrag mit Indonesien. Das Signal ist eindeutig. Die Stimmbürgerinnen wünschen sich eine auf Nachhaltigkeit ausgerichtete Handelspolitik. Freihandel wird nicht mehr als Ziel per se positiv bewertet.

Das Votum ist deshalb erst recht bedeutsam, weil das Abkommen nur dank den tieferen Zollabgaben für nachhaltig produziertes Palmöl Zustimmung fand. Damit enthält erstmals ein Freihandelsabkommen ein klar definiertes Instrument, das mehr als nur vage verspricht, den Handel nachhaltig zu gestalten. Ohne diese Klausel wäre die Vorlage mit Sicherheit gescheitert. Die Mehrheit wurde nur möglich, weil ein Teil der politischen Linke sich dank dieses «Paradigmenwechsels» von freiem zu fairem Handel für ein Ja engagiert hatte.

Der neue Entscheid bestätigt, was sich bereits in der Abstimmung über die Konzernverantwortung von Ende November manifestiert hatte. Die Erhaltung der natürlichen Lebensgrundlagen, die Achtung der Menschenrechte, die Linderung von Not und Armut in der Welt sind Werte, welche die Stimmbevölkerung nicht mehr nur im Artikel 54 der Bundesverfassung als Ziele für die Aussenpolitik verankert wissen will. Diese Werte sollen ausdrücklich für die Beziehungen zum Ausland insgesamt gelten, also auch für die aussenwirtschaftlichen Beziehungen des Landes.

Nicht mehr nur Eigeninteressen

Nur die Wahrung der Interessen der schweizerischen Wirtschaft im Ausland sowie «in besonderen Fällen» Massnahmen zum Schutz der inländischen Wirtschaft werden im Artikel 101 der Bundesverfassung als Ziele der Aussenwirtschaftspolitik postuliert. Diese Beschränkung auf die Eigeninteressen des Landes sieht zumindest die Hälfte der Bevölkerung nicht mehr als ausreichend an. Es ist deshalb zu Recht von einem Paradigmenwechsel die Rede.

Der Indonesien-Vertrag mit dem Zollprivileg für nachhaltig produziertes Palmöl ist ein erster Schritt und vorerst doch nur ein Spezialfall. Dass er das bleiben könnte, wäre zu vermuten, wenn wahr ist, was im (noch immer nicht publizierten) Abkommen mit den Mercosur-Staaten Argentinien, Brasilien, Paraguay und Uruguay festgehalten sein soll. Es scheint nur vage formulierte Bestimmungen über Handel, nachhaltige Entwicklung und Klimaschutz zu enthalten. Als Grund führt das Staatssekretariat für Wirtschaft SECO an, dass bei den aus diesen Staaten importierten Produkten keine separaten Lieferketten wie beim Palmöl bestünden. Die Rückverfolgbarkeit der Produkte sei deshalb nicht möglich.

Das mag für den Moment zutreffen, muss aber nicht so bleiben. Die in der EU und in manchen EU-Mitgliedstaaten laufenden Diskussionen über neue Lieferkettengesetze zeigen vielmehr, dass die Transparenz über die Herkunft gehandelter Produkte welcher Art auch immer aktueller denn je ist. Und was sich heute in der EU abzeichnet, wird morgen auch die Schweiz und die aus der Schweiz operierenden Unternehmen betreffen. Denn die EU-Regeln werden auch für Unternehmen aus Drittstaaten gelten, die im grossen Binnenmarkt tätig sind.

Es gibt auch keinen Grund zuzuwarten, bis klar ist, was die EU tun wird. Als erstes wird es gelten, die über den indirekten Gegenvorschlag zur knapp gescheiterten Konzernverantwortungsinitiative einzuführende Informationspflicht für Unternehmen zu nicht-finanziellen Belangen in der Verordnung so zu präzisieren, dass Lieferketten offengelegt werden. Die Berichterstattung der Unternehmen wird es dann erlauben, bei nächsten Handelsabkommen und auch Revisionen früherer Abkommen, die Kapitel zu Nachhaltigkeit zu präzisieren, damit für möglichst viele Produkte die Rückverfolgbarkeit möglich wird.

Hier treffen sich denn auch die Willensbekundungen an der Urne zu nachhaltigem Handel und zur Einhaltung von Menschenrechten durch Unternehmen. Sie bieten die Chance für eine Debatte über neue Ziele der schweizerischen Aussenwirtschaftspolitik.