Wochenrückblick

Schweiz im Sicherheitsrat 19 / 2023

von Johann Aeschlimann | Mai 2023
Syrien/Chemiewaffen: Der monatliche Bericht der Organisation für das Verbot Chemischer Waffen (OPCW) erbrachte nichts Neues: Die OPCW sagt, Syrien liefere angeforderte Daten nicht aus, die verifizieren sollen, ob die Regierung des Landes im Kampf gegen die Opposition Chemiewaffen eingesetzt hat und ob sich weiterhin derartige Waffen im Land befinden. Fact finding missions laufen ins Leere. Syrien erklärte, das sei nicht so. Russland erklärte, die OPCW sei “ein gefügiges Instrument in der Hand des Westens”. Die Schweiz forderte ungehinderten Zugang von OPCW-Inspektoren und verurteilte die wiederholten Chemiewaffeneinsätze in Syrien.

Sudan: Zwei Generäle lassen ihre Armeen aufeinander los und die Zivilisten sind die Leidtragenden. Nahrungsmittel, Wasser, Treibstoff und Gas werden knapp, laut Weltgesundheitsorganisation sind über die Hälfte der medizinischen Einrichtungen lahmgelegt. Der Rat liess sich über die Situation der UNO-Blauhelme im sudanesisch-südsudanesischen Grenzgebiet Abiyeh unterrichten (keine eigenen Polizeikräfte, Stammeskämpfe) und debattierte die Lage auch informell. Er ist sich einig in der Verurteilung der Kämpfe im Sudan, aber nicht einig darüber, wann und wie er sie aussprechen soll – abgesehen davon, dass er eine Waffenruhe nicht erzwingen kann. Die Schweiz appellierte zur Waffenruhe, forderte sicheren Zugang für humanitäre Hilfsgüter und lobte die Einrichtung von Konsultationsforen mit Frauen in Abiyeh.

Bosnien: Der Bericht des «Hohen Repräsentanten» über die Situation in Bosnien-Herzegowina stellte die Schweizer Präsidentschaft zum ersten Mal auf den politischen Prüfstand. Russland forderte, wie in zwei Jahren zuvor, dem Mann kein Rederecht zu geben, weil es seine Wahl nicht anerkennt (der High Representative wird zwar durch eine UNO-Resolution legitimiert, aber von einem Gremium ausserhalb der UNO gewählt), und weil er sich in inner-bosnische Befugnisse einmische (er hat ein Gesetz der serbischen Teilrepublik ausgesetzt). Irgendwie erreichten die Schweizer Diplomatinnen (und Diplomaten), dass die Russen es bei einem durch eine längere Erklärung garnierten Ordnungsantrag (point of order) beliessen, dem dann ohne Präsidialentscheid oder Abstimmung keine Folge geleistet wurde. Der «Hohe Repräsentant» zeigte sich besorgt über sezessionistische Tendenzen in der Republika Srpska, die das Friedensabkommen von Dayton (1995) gefährden könnten. Russland warf ihm “koloniale Tendenzen” vor und forderte die Abschaffung des Amts. Bosnien ist seit Ende vergangenen Jahres EU-Kandidat. Die Schweiz hiess dies willkommen, warnte vor Separatismus und zeigte sich besorgt über Hass und Verniedlichung von Kriegsverbrechen (nous sommes inquiets de la persistance des discours de haine, de la glorification des criminels de guerre, du révisionnisme historique et des tentatives de négation du génocide).

Libyen: Auch der Auftritt des Chefanklägers des Internationalen Strafgerichtshofs (International Criminal Court ICC) war Gegenstand eines russischen Ordnungsantrags, der auf dieselbe Weise erledigt wurde. Russland (seit 2016 nicht mehr Unterzeichner des ICC-Vertrags) beschimpfte den ICC als «Puppengericht» und Komplize in der «NATO-Aggression» gegen Libyen, welche das Land in den Zerfall getrieben habe. Der Ankläger berichtete dem Rat über «bedeutende Fortschritte» bei der Ahndung von Verbrechen gegen die Menschlichkeit in Libyen, und er kündigte weitere Zusammenarbeit mit der libyschen Regierung an. Die USA – nie Mitglied des ICC-Statuts – sprachen ihre Anerkennung aus. Die Schweiz – Gründungsmitglied – stellte sich hinter den Strafgerichtshof, ermutigte Libyen zur Kooperation und forderte alle Staaten auf, ihn zu unterstützen. Die zehn ICC-Mitgliedsstaaten im Sicherheitsrat (nicht dabei: USA, Russland, China, Mosambik, Vereinigte Arabische Emirate) verlasen eine gemeinsame Erklärung vor der Presse.

Israel/Palästina: Das harte militärische Vorgehen Israels gegen palästinensische Ziele in Gaza und die zahlreichen zivilen Opfer waren Gegenstand von «geschlossenen Konsultationen». Der UNO-Sonderkoordinator hat sich «alarmiert» geäussert und die Tötung von Zivilisten als «unakzeptabel» bezeichnet. Er verurteilte ebenfalls die Demolition einer von der EU finanzierten palästinensischen Schule in der Nähe von Bethlehem.

Ukraine: Eine von Russland organisierte informelle Ratssitzung befasste sich mit der Religionsfreiheit in der Ukraine und der «Verfolgung der ukrainischen orthodoxen Kirche». Das Treffen wurde – wie mehrere in den vergangenen Wochen – vom UN-Fernsehen nicht übertragen. Die Schweiz war auf unterer Charge vertreten. Sie verurteilte die «schweren Verletzungen der Menschenrechte und des humanitären Völkerrechts in der Folge der militärischen Aggression Russlands gegen die Ukraine», forderte die Einhaltung des Völkerrechts und sprach sich gegen «Hassrede» aus.

 

Schweizer Erklärungen:
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