Kolumne

Trump’s give, Kim’s take

von Daniel Woker | Juni 2018
Eine Verhandlung besteht aus beidseitigem Geben und Nehmen, «give and take» eben. Je mehr sich beides im Gleichgewicht befindet, je eher wird ein positives Resultat möglich. Positiv jenseits von Eitelkeiten und Gipfelhype. Das Treffen Trump-Kim ist kaum als Erfolg zu werten, da Trump viel, Kim wenig gegeben hat.

Zwei Ebenen sind mit Blick auf den Gipfel zu unterscheiden, das Atmosphärische und die Substanz. Die Atmosphäre rund um ein solches Treffen spielt durchaus eine Rolle, also alle Bilder von Inszenierung und Ablauf der gemeinsam bestrittenen Auftritte, die Körpersprache der Hauptakteure, ihre Aktivitäten neben dem offiziellen Teil und zahlreiche weitere Äusserlichkeiten.

Atmosphärisches Unentschieden

Für Kim war der erstmalige Auftritt eines nordkoreanischen Diktators gleichberechtigt neben dem «Chef der freien Welt» ein grosser Erfolg. Alle amerikanischen Präsidenten vor Trump sahen dies als erste grosse Konzession, die nur gegen substantielle Gegenleistungen möglich gewesen wäre. Solche hat Trump offensichtlich weder nachgefragt, noch erhalten. Dafür konnte er sich im globalen Glanz eines «Friedensgipfels» sonnen, was für ihn sowohl wegen seinem grenzenlosen Narzissmus als auch aus wahlkampfbedingten Gründen zuhause wichtig war.

Für Kim stellte die ausführliche Inszenierung des Gipfels vor der asiatischen Traumkulisse von Singapur im nordkoreanischen Staatsfernsehen ein gewisses Risiko dar. Seine Untertanen haben sich angesichts dieses erstmal autorisierten Blicks auf die unterschiedliche Entwicklung in einem asiatischen Nachbarland ihre eigenen Gedanken gemacht. Wohlstand auf individueller Ebene ist offensichtlich auch ohne endlose Entbehrungen und pompöse Massenhysterie möglich. Weiter haben sie sich wohl die Augen gerieben, als ihr «geliebter Führer» dem eben noch als Weltschurke verteufelten Trump lächelnd die Hand gereicht hat. Das dürfte eine erneute Diabolisierung eines amerikanischen Präsidenten selbst für totalitär getrimmte Nordkoreaner unglaubwürdig machen.

Im Atmosphärischen kann damit das Resultat als ein Unentschieden gewertet werden. Ganz anders hingegen in der Substanz. Da hat der «kleine Fettsack» den «dicken Idioten» (beides Originalton Trump rsp. Kim noch vor wenigen Monaten) eindeutig über den Tisch gezogen.

Nichts zu Abrüstung

Die nukleare Aufrüstung Nordkoreas, welche seine Nachbarn, die USA und den Rest der Welt direkt bedroht zuerst. Da hat Trump überhaupt nichts Konkretes erreicht. Es wurde im Vorfeld und am Gipfel selbst offensichtlich weder über den Zeitplan, noch die Verifizierung der Abrüstung und auch nicht deren - immense - Kosten gesprochen, geschweige denn verhandelt. Da stehen Jahre härtester Verhandlung bevor. Zudem wird das physische Abwracken nordkoreanischer Nuklearwaffen die entsprechende graue Materie in den Köpfen von Tausenden nordkoreanischer Physiker, Ingenieure und Techniker nicht erreichen.

Ebenso wenig ist von der amerikanischen Versicherung zu halten, dass die Sanktionen aufrechterhalten würden, bis die nordkoreanische Abrüstung vollständig sei. Welche Sanktionen? Solche sind nur wirksam, wenn sie wirklich befolgt werden. Das ist vor dem Gipfel mehr oder minder geschehen, weil sich auch der übermächtige Nachbar Nordkoreas, China, beteiligt hat.

Es ist kaum anzunehmen, dass Beijing sich ein zweites Mal von den Selbstdarstellern Trump und Kim in den Schatten stellen lässt. Präsident Xi wird den Sanktionshahn inskünftig nach rein chinesischen Überlegungen auf- und zudrehen. Im eher unwahrscheinlichen Fall, dass sich Kim zu stark in Richtung von Südkorea und speziell dessen System bewegen sollte, hat Beijing so alle Trümpfe in der Hand, um Druck auszuüben. Im gegenteiligen Fall, also der ja seit dem Koreakrieg geltenden grundsätzlichen Unterwerfung Nordkoreas gegenüber dem Reich der Mitte, gilt das ohnehin.

Erfolg für China

Es sei denn, Trump mache Ernst mit der von ihm propagierten «America First»-Politik. Ein erster Schritt hat er mit der Absage von koreanisch-amerikanischen Routine-Manövern bereits getan. Sollte er tatsächlich den Abzug amerikanischer Truppen aus Korea als ernsthaftes Verhandlungsangebot gegenüber nordkoreanischer Denuklearisierung auf den Tisch legen, wäre dies primär für China ein Grosserfolg. Keine direkte amerikanische Umzingelung auf dem asiatischen Festland mehr! Nur ein solches Szenario würde in chinesischen Augen eine Entlassung Nordkoreas in eine kapitalistische Entwicklung eigener Prägung rechtfertigen.

Hier liegt der Hauptgrund, warum der Gipfel – unter der Oberfläche internationaler Erleichterung ob dem Ende des amerikanisch-nordkoreanischen Säbelrasselns – in Südkorea gemischt, in Japan mit hörbarem Zähneknirschen aufgenommen worden ist. Beide brauchen die amerikanische Präsenz in Korea. Seoul als Stolperdraht im Falle eines konventionellen nordkoreanischen Angriffs und Tokio als Sicherung seiner nördlichen Flanke beim Versuch, durch den Pazifik (Australien) und den Indischen Ozean eine Achse zu Delhi aufzubauen, zur Eindämmung chinesischer Hegemonie im Grossraum Asien-Pazifik.

Schliesslich wurden von Trump auch weitere zentrale Punkte einer allfälligen Einigung mit Nordkorea offensichtlich nicht einmal aufs Verhandlungstapet gebracht. An erster Stelle müssen die Menschenrechte erwähnt werden. Der Familienklan der Kims – Grossvater, Vater und Sohn Kim Jong-un – und ihre Schergen haben sich schwerster Verbrechen gegenüber ihrer eigenen Bevölkerung schuldig gemacht. Zehntausende wurden und werden umgebracht und in den Hungertod getrieben, Hunderttausende in Konzentrationslager festgehalten.

Soll Nordkorea je ein normales Land werden, müssten Verantwortlichkeiten und Wiedergutmachung in mühsamer Kleinarbeit erarbeitet werden.

Ein ganz anderes, aber für eine friedliche Entwicklung in Asien zentrales Problem ist das in Nordkorea vorhandene Know-how von Raketentechnologie. Die nukleare Abrüstung ist nur ein Teil. Atombomben müssen mit Raketen ans Ziel gebracht werden. Wie im nuklearen Bereich besteht auch hier das Problem, dass Know-how in Köpfen der Raketenbauer weiterlebt, wenn deren «Spielzeuge» zerstört sind.

Nach dem bekannten Bonmot ist «talk-talk» immer besser als «shoot-shoot». Das trifft auch für die koreanische Halbinsel zu. Leider bestehen wenig Aussichten, dass die «Trump-Kim-Show» in Singapur das erste wirklich befördert hat, um das zweite unmöglich zu machen.

*Dr. Daniel Woker, ehemaliger Botschafter und Lehrbeauftragter der Universität St. Gallen