Kolumne
Forschungslösung mit der EU kommt für Schweizer KMU zu spät
von Dr. Thomas Hafen, CEO Bühlmann Laboratories AG
| Oktober 2014
Mit der erneuten Teilassoziierung der Schweiz für die H2020 Projekte haben die Schweizer Forscher eine Galgenfrist bis Ende 2016 erhalten. Schweizer KMU dagegen, die als Industriepartner auch H2020 Beteiligungen suchen, bleiben definitiv ausgeschlossen und können an europäischen Projekten selbst dann nicht mitmachen, wenn sie auf eine finanzielle Unterstützung verzichten. Damit werden ungleiche Spiesse geschaffen in einem höchst ungünstigen Moment.
Um was geht es? Die EU will im Bereich der Medizinaltechnik die Hürden für die CE- Markierung von Produkten markant erhöhen. Die CE-Markierung ist der Schlüssel für die Verwendung solcher Produkte im klinischen Bereich und damit der eigentliche Türöffner in den europäischen Markt. Die neuen Verordnungen für Medizintechnikprodukte und für in-vitro Diagnostika sollen bereits ab 2015 oder 2016 das bisherige, vergleichsweise liberale Zulassungssystem durch FDA ähnliche Regelungen ersetzen.
Gerade für KMU und Start-ups werden sich damit die Hürden für den Marktzugang noch einmal massiv erhöhen. Viele dieser Firmen werden sich die teuren und zeitlich aufwändigen klinischen Studien nicht leisten können. Unter Druck kommen aber auch bestehende Produkte, die sich im Markt bestens bewährt haben, die aber nach einer Übergangsfrist die neuen EU-Hürden ebenfalls gemeistert haben müssen. Das scheint zwar in den allermeisten Fällen komplett überflüssig, aber hier scheint die Bürokratie einmal mehr über die Innovation zu gewinnen.
Vielfach handelt es sich dabei um Nischenprodukte, deren klinische Validierung gar nicht so einfach ist. Es kann z.B. sehr aufwändig sein, ein in-vitro Diagnostikum klinisch zu validieren, wenn sie dafür prospektive positive Patientenproben brauchen und es sich um eine seltene Krankheit mit vielleicht 1 Fall pro 100‘000 Einwohner handelt. Grosse Firmen wie Roche oder Siemens interessieren sich nicht für solche Produkte, da der potentielle Markt viel zu klein ist. Nur KMU können solche Produkte erfolgreich vermarkten, dank deutlich tieferen Entwicklungskosten und dank schlankerer Strukturen.
Wohl um den Kritikern den Wind aus den Segeln zu nehmen, hat sich die EU deshalb etwas einfallen lassen und legt mit dem Programm H2020 erstmals ein KMU spezifisches Innovationsprogramm vor. Unter den zahlreichen Projekten, die im H2020 Programm zusammengefasst sind, ist das HPC (Health and Personal Care) Projekt 12 gar das finanziell wichtigste aller Teilprojekte. Und es geht nicht um Forschungskooperationen, auch nicht um innovative neue Produkte. Nein, die EU will mit dem HPC12 europäische KMU gezielt unterstützen, so dass diese bestehende Produkte mit europäischen klinischen Studien unterlegen können und so fit sind für die neue CE-Markierung. Der letzte Einreichungstermin für solche Projekte ist im Dezember 2014.
Ganz konkret sind aktuell viele europäische KMU daran, mit ausgewählten Vertretern aus der Klinik in diversen europäischen Ländern solche Projekte grenzüberschreitend aufzusetzen. Auch wir haben solche Anfragen erhalten von europäischen Forschungspartnern.
Es ginge hier auch um das Geld, natürlich. EU Forschungskooperationen sind für Schweizer KMU interessant, da sie im Gegensatz zu Projekten der Kommission für Technologie und Innovation (KTI) auch Aufwendungen (Personal- und Materialkosten) der Industriepartner abdecken. In «guten Jahren» können wir bis zu einem Drittel der R&D Ausgaben über Projektfinanzierungen abwickeln. Das zählt, in einem knallharten globalen Wettbewerbsumfeld und mit dem starken Franken im Rücken. Es ginge aber auch um die Erhaltung unserer europäischen Netzwerke und Kontakte und unser Verständnis als europäische und auf die Welt ausgerichtete Firma!
Es wäre naiv zu glauben, dass diese Kompetenzen und Kontakte ganz einfach substituierbar sind. Wer soll denn da eigentlich einspringen? Und wie gross darf der Verlust an Forschungs- und Innovationskompetenz bei Schweizer KMU sein, um einen bis anhin noch gar nicht quantifizierbaren Rückgang der sogenannten «Masseneinwanderung» zu kompensieren? Und wieso wird dieses für innovative KMU relevante Thema in der Schweizer Presse und Politik eigentlich übergangen?
Dr. Thomas Hafen
CEO BÜHLMANN Laboratories AG Schönenbuch / Basel
Revision vom 19. September 2014
Um was geht es? Die EU will im Bereich der Medizinaltechnik die Hürden für die CE- Markierung von Produkten markant erhöhen. Die CE-Markierung ist der Schlüssel für die Verwendung solcher Produkte im klinischen Bereich und damit der eigentliche Türöffner in den europäischen Markt. Die neuen Verordnungen für Medizintechnikprodukte und für in-vitro Diagnostika sollen bereits ab 2015 oder 2016 das bisherige, vergleichsweise liberale Zulassungssystem durch FDA ähnliche Regelungen ersetzen.
Gerade für KMU und Start-ups werden sich damit die Hürden für den Marktzugang noch einmal massiv erhöhen. Viele dieser Firmen werden sich die teuren und zeitlich aufwändigen klinischen Studien nicht leisten können. Unter Druck kommen aber auch bestehende Produkte, die sich im Markt bestens bewährt haben, die aber nach einer Übergangsfrist die neuen EU-Hürden ebenfalls gemeistert haben müssen. Das scheint zwar in den allermeisten Fällen komplett überflüssig, aber hier scheint die Bürokratie einmal mehr über die Innovation zu gewinnen.
Vielfach handelt es sich dabei um Nischenprodukte, deren klinische Validierung gar nicht so einfach ist. Es kann z.B. sehr aufwändig sein, ein in-vitro Diagnostikum klinisch zu validieren, wenn sie dafür prospektive positive Patientenproben brauchen und es sich um eine seltene Krankheit mit vielleicht 1 Fall pro 100‘000 Einwohner handelt. Grosse Firmen wie Roche oder Siemens interessieren sich nicht für solche Produkte, da der potentielle Markt viel zu klein ist. Nur KMU können solche Produkte erfolgreich vermarkten, dank deutlich tieferen Entwicklungskosten und dank schlankerer Strukturen.
Wohl um den Kritikern den Wind aus den Segeln zu nehmen, hat sich die EU deshalb etwas einfallen lassen und legt mit dem Programm H2020 erstmals ein KMU spezifisches Innovationsprogramm vor. Unter den zahlreichen Projekten, die im H2020 Programm zusammengefasst sind, ist das HPC (Health and Personal Care) Projekt 12 gar das finanziell wichtigste aller Teilprojekte. Und es geht nicht um Forschungskooperationen, auch nicht um innovative neue Produkte. Nein, die EU will mit dem HPC12 europäische KMU gezielt unterstützen, so dass diese bestehende Produkte mit europäischen klinischen Studien unterlegen können und so fit sind für die neue CE-Markierung. Der letzte Einreichungstermin für solche Projekte ist im Dezember 2014.
Ganz konkret sind aktuell viele europäische KMU daran, mit ausgewählten Vertretern aus der Klinik in diversen europäischen Ländern solche Projekte grenzüberschreitend aufzusetzen. Auch wir haben solche Anfragen erhalten von europäischen Forschungspartnern.
Es ginge hier auch um das Geld, natürlich. EU Forschungskooperationen sind für Schweizer KMU interessant, da sie im Gegensatz zu Projekten der Kommission für Technologie und Innovation (KTI) auch Aufwendungen (Personal- und Materialkosten) der Industriepartner abdecken. In «guten Jahren» können wir bis zu einem Drittel der R&D Ausgaben über Projektfinanzierungen abwickeln. Das zählt, in einem knallharten globalen Wettbewerbsumfeld und mit dem starken Franken im Rücken. Es ginge aber auch um die Erhaltung unserer europäischen Netzwerke und Kontakte und unser Verständnis als europäische und auf die Welt ausgerichtete Firma!
Es wäre naiv zu glauben, dass diese Kompetenzen und Kontakte ganz einfach substituierbar sind. Wer soll denn da eigentlich einspringen? Und wie gross darf der Verlust an Forschungs- und Innovationskompetenz bei Schweizer KMU sein, um einen bis anhin noch gar nicht quantifizierbaren Rückgang der sogenannten «Masseneinwanderung» zu kompensieren? Und wieso wird dieses für innovative KMU relevante Thema in der Schweizer Presse und Politik eigentlich übergangen?
Dr. Thomas Hafen
CEO BÜHLMANN Laboratories AG Schönenbuch / Basel
Revision vom 19. September 2014
Kolumne
Der EWR ist von gestern, nicht für morgen
von alt Nationalrat Hans-Jürg Fehr | April 2023
Vor dreissig Jahren wäre der Beitritt der Schweiz zum Europäische Wirtschaftsraum EWR eine gute Lösung gewesen. Das Stimmvolk wollte nicht. In jüngster Zeit wird er von gewissen politischen Kreisen wieder propagiert. Aber heute wäre er eine schlechte Lösung.
Kolumne
Schulterschluss zwischen Bund und Kantonen in der Europapolitik
von Thomas Moser* | April 2023
Der bilaterale Weg zwischen der Schweiz und der EU ist ein Spiel, das von den Verteidigungsreihen dominiert wird. Seit 2007 werden keine wichtigen Verträge mehr abgeschlossen. Die Verhandlungen enden torlos. Als der Bundesrat am 29. März 2023 in Aussicht stellte, die Sondierungsgespräche mit der EU abzuschliessen und bis Ende Juni ein Verhandlungsmandat zu erarbeiten, verwies er auf die Kantone. Der Dialog mit ihnen habe es ermöglicht, für die Staatsbeihilfen und Zuwanderungsfragen konkrete Lösungsansätze zu definieren.