Kolumne
Neue Chancen werden nicht wahrgenommen
von
Martin Fässler
| September 2019
Die „Aussenpolitische Vision 2028 Schweiz“ thematisiert erstaunlich wenig die Kumulation ökologischer Grenzüberschreitungen und deren Rückwirkungen auf die Schweiz. Für die Aussenpolitik des Landes sind sie aber von grösster Bedeutung.
Der Bericht «Aussenpolitische Vision Schweiz 2028» (AVIS28) präsentiert die Erwartungen an die aussen- und globalpolitische Verantwortung der Schweiz. Er plädiert für eine fokussierte, vernetzte und agile Aussenpolitik, mit Mut zum Wandel. Es wird ausführlich beschrieben, wie sich Wirtschaft und Gesellschaft durch Digitalisierung, Globalisierung, Urbanisierung und fortschreitenden Strukturwandel in den nächsten Jahren rasch verändern werden. Vor dem Hintergrund der geopolitischen Veränderungen und internationalen Krisen drängt sich für die AVIS28-Expertengruppe eine stärkere Antizipation der globalen Herausforderungen und Chancen auf, eine strategische Ausrichtung und Vernetzung der Aussenpolitik, die Wahrung der auf Werte orientierten Interessen und ein «Whole-of-Switzerland»-Ansatz.
Dagegen ist nichts einzuwenden. Ein grosser Mangel fällt allerdings auf. Wenig Beachtung findet nämlich die repulsive Globalisierung, also die Folgen der Globalisierung, die auf die reichen Länder und damit auch auf die Schweiz zurückschlagen: das Abflachen der Wachstumsraten in den reichen Ländern, die weltweit zunehmenden gesellschaftlichen Ungleichheiten, die Ausbreitung prekärer Arbeits- und Lebensformen, die Kumulation ökologischer Gefahren, die planetarischen Belastungsgrenzen, die zunehmend überschritten werden, die wachsenden Fluchtbewegungen, populistischen Revolten und das schwindende Vertrauen in gesellschaftliche Institutionen. Es sind tiefgreifende globale Veränderungen, die auch auf die Schweiz und den Wohlstand des Landes zurückschlagen.
Die sich für die Schweiz aus diesen Folgen ergebenden aussenpolitischen Herausforderungen und Chancen erörtert der AVIS28 mit erstaunlich geringer Priorität. Nur unzureichend thematisiert werden folglich die nachhaltigkeitspolitischen Herausforderungen wie Dekarbonisierung, Energie-, Agrar-, Ernährungs- und Mobilitätswende. Aber auch die Chancen, die sich daraus für die Schweiz als international wettbewerbsfähige Wirtschaft ergeben, werden nicht wahrgenommen.
Bei der 2015 von der internationalen Staatengemeinschaft beschlossenen „Agenda 2030 für nachhaltige Entwicklung“ und der Klimavereinbarung von Paris als Zukunftsverträge wäre anzusetzen. Die politischen und gesellschaftlichen Akteure in der Schweiz sollten sie für die Aussen-und die Innenpolitik als richtungsweisend anerkennen und als ein Modernisierungs-, Gerechtigkeits- und Friedensprojekt nutzen, um die Auseinandersetzung mit Zukunftsfragen systematisch, kohärent, innovativ, vernetzt, verantwortlich zu führen. Alle Bereiche der Politik sowie Akteure der Zivilgesellschaft, Wirtschaft und der Wissenschaft sind daran zu beteiligen.
Internationale Verantwortung aus wohlverstandenen Eigeninteressen
Die kürzlich publizierten internationalen Expertisen über Klimaschutz, Biodiversität, Landwirtschaft zeigen mit Nachdruck, dass auch die Aussenpolitik ihre Ambitionen und Wirksamkeit wesentlich steigern muss. Mut zum Wandel ist gefragt. Es ist eine vordringliche - auch aussenpolitische - Aufgabe, mit entschiedenem Handeln Blockaden im Nachhaltigkeitsbereich zu überwinden und in enger internationaler Kooperation die Weichen für Dekarbonisierung und Kreislaufwirtschaft bis 2030 zu stellen. Nur so wird es möglich sein, die wirtschaftliche Entwicklung weitgehend vom Verbrauch von Ressourcen, Treibhausgas¬emissionen und der Belastung von Ökosystemen zu entkoppeln
Die 17 Nachhaltigkeitsziele der Agenda 2030 benennen die Kernanliegen einer zukunftsfähigen Schweiz. Beschleunigte Anstrengungen zu deren Erreichung sind ein Gebot wirtschaftlicher Vernunft, sozialer Gerechtigkeit und ökologischer Verantwortung, wie auch eine enorme Chance für die Aussenpolitik. Hierzu ist jedoch eine wesentlich stärkere aussenpolitische Strategiefähigkeit in nachhaltigkeits- und transformationspolitischen Themen erforderlich. Aufgrund ihrer weltweit starken Vernetzung hat die Schweiz eine besondere Verantwortung, Partnerschaften und Allianzen für Nachhaltigkeitsinnovationen aufzubauen, die negativen Auswirkungen schweizerischer Politiken («spillover Effekte») zu verringern und die positiven Wirkungen zu verstärken. Transformationspolitische Herausforderungen gehören deshalb weit oben auf die Agenda der Innen-, aber auch der Aussenpolitik.
Martin Fässler, unabhängiger Spezialist für Fragen zu Nachhaltigkeit und Entwicklung, ehemaliger Stabschef und Mitglied der Direktion der DEZA.
Der Bericht «Aussenpolitische Vision Schweiz 2028» (AVIS28) präsentiert die Erwartungen an die aussen- und globalpolitische Verantwortung der Schweiz. Er plädiert für eine fokussierte, vernetzte und agile Aussenpolitik, mit Mut zum Wandel. Es wird ausführlich beschrieben, wie sich Wirtschaft und Gesellschaft durch Digitalisierung, Globalisierung, Urbanisierung und fortschreitenden Strukturwandel in den nächsten Jahren rasch verändern werden. Vor dem Hintergrund der geopolitischen Veränderungen und internationalen Krisen drängt sich für die AVIS28-Expertengruppe eine stärkere Antizipation der globalen Herausforderungen und Chancen auf, eine strategische Ausrichtung und Vernetzung der Aussenpolitik, die Wahrung der auf Werte orientierten Interessen und ein «Whole-of-Switzerland»-Ansatz.
Dagegen ist nichts einzuwenden. Ein grosser Mangel fällt allerdings auf. Wenig Beachtung findet nämlich die repulsive Globalisierung, also die Folgen der Globalisierung, die auf die reichen Länder und damit auch auf die Schweiz zurückschlagen: das Abflachen der Wachstumsraten in den reichen Ländern, die weltweit zunehmenden gesellschaftlichen Ungleichheiten, die Ausbreitung prekärer Arbeits- und Lebensformen, die Kumulation ökologischer Gefahren, die planetarischen Belastungsgrenzen, die zunehmend überschritten werden, die wachsenden Fluchtbewegungen, populistischen Revolten und das schwindende Vertrauen in gesellschaftliche Institutionen. Es sind tiefgreifende globale Veränderungen, die auch auf die Schweiz und den Wohlstand des Landes zurückschlagen.
Die sich für die Schweiz aus diesen Folgen ergebenden aussenpolitischen Herausforderungen und Chancen erörtert der AVIS28 mit erstaunlich geringer Priorität. Nur unzureichend thematisiert werden folglich die nachhaltigkeitspolitischen Herausforderungen wie Dekarbonisierung, Energie-, Agrar-, Ernährungs- und Mobilitätswende. Aber auch die Chancen, die sich daraus für die Schweiz als international wettbewerbsfähige Wirtschaft ergeben, werden nicht wahrgenommen.
Bei der 2015 von der internationalen Staatengemeinschaft beschlossenen „Agenda 2030 für nachhaltige Entwicklung“ und der Klimavereinbarung von Paris als Zukunftsverträge wäre anzusetzen. Die politischen und gesellschaftlichen Akteure in der Schweiz sollten sie für die Aussen-und die Innenpolitik als richtungsweisend anerkennen und als ein Modernisierungs-, Gerechtigkeits- und Friedensprojekt nutzen, um die Auseinandersetzung mit Zukunftsfragen systematisch, kohärent, innovativ, vernetzt, verantwortlich zu führen. Alle Bereiche der Politik sowie Akteure der Zivilgesellschaft, Wirtschaft und der Wissenschaft sind daran zu beteiligen.
Internationale Verantwortung aus wohlverstandenen Eigeninteressen
Die kürzlich publizierten internationalen Expertisen über Klimaschutz, Biodiversität, Landwirtschaft zeigen mit Nachdruck, dass auch die Aussenpolitik ihre Ambitionen und Wirksamkeit wesentlich steigern muss. Mut zum Wandel ist gefragt. Es ist eine vordringliche - auch aussenpolitische - Aufgabe, mit entschiedenem Handeln Blockaden im Nachhaltigkeitsbereich zu überwinden und in enger internationaler Kooperation die Weichen für Dekarbonisierung und Kreislaufwirtschaft bis 2030 zu stellen. Nur so wird es möglich sein, die wirtschaftliche Entwicklung weitgehend vom Verbrauch von Ressourcen, Treibhausgas¬emissionen und der Belastung von Ökosystemen zu entkoppeln
Die 17 Nachhaltigkeitsziele der Agenda 2030 benennen die Kernanliegen einer zukunftsfähigen Schweiz. Beschleunigte Anstrengungen zu deren Erreichung sind ein Gebot wirtschaftlicher Vernunft, sozialer Gerechtigkeit und ökologischer Verantwortung, wie auch eine enorme Chance für die Aussenpolitik. Hierzu ist jedoch eine wesentlich stärkere aussenpolitische Strategiefähigkeit in nachhaltigkeits- und transformationspolitischen Themen erforderlich. Aufgrund ihrer weltweit starken Vernetzung hat die Schweiz eine besondere Verantwortung, Partnerschaften und Allianzen für Nachhaltigkeitsinnovationen aufzubauen, die negativen Auswirkungen schweizerischer Politiken («spillover Effekte») zu verringern und die positiven Wirkungen zu verstärken. Transformationspolitische Herausforderungen gehören deshalb weit oben auf die Agenda der Innen-, aber auch der Aussenpolitik.
Martin Fässler, unabhängiger Spezialist für Fragen zu Nachhaltigkeit und Entwicklung, ehemaliger Stabschef und Mitglied der Direktion der DEZA.
Kolumne
Das Rahmenabkommen – Chance für die Demokratie?
von Christoph Wehrli | April 2021
An einer Online-Veranstaltung der SGA hat Thomas Pfisterer ausgeführt, welche Chancen das Institutionelle Abkommen Schweiz – EU (InstA) für die europapolitische Mitwirkung des Parlaments und für die Demokratie überhaupt bieten würde. «Mitte»-Präsident Gerhard Pfister stimmte ihm in vielem zu, ohne deswegen seine Skepsis gegenüber dem Abkommen aufzugeben.
Kolumne
Nachhaltigkeitspolitik der Schweiz genügt nicht
von Martin Fässler* | März 2021
Ökologische Fragen sind in den «Global Risk Reports» des WEF nach ganz oben gerutscht. Der Klimawan-del ist tägliches Thema geworden. Er stellt die Leitideen der Moderne wie Wirtschaftswachstum und Be-herrschung der Natur auf den Prüfstand. Die Covid-19 Pandemie lässt die internationale Verantwortung für Problemlösungen noch schärfer hervortreten.
Kolumne
Die falsch verstandene Souveränität
von Jean-Daniel Gerber | März 2021
Es ist ein Irrtum zu glauben, die Souveränität der Schweiz bleibe ohne Rahmenabkommen mit der EU besser bewahrt. Souverän ist nicht, wer sich nicht bindet, sondern wer seine bestehenden Abhängigkeiten erkennt und durch vertraglich geregelte Zusammenarbeit lenkt.