Kolumne

Kampfflugzeuge für die Schweiz und Europa

von Daniel Woker | September 2020
Die Schweiz braucht nur eine kleine, aber europakompatible Luftwaffe. Denn die Luftwaffe macht nur Sinn, wenn sie sich europäisch koordiniert und integriert. Dies wird in der offiziellen Begründung des aktuellen Antrages zur Kampfflugzeugbeschaffung ausgeblendet.   

Sicherheit als staatliche Aufgabe ist ein weiter Begriff. Er umfasst eine weiche, zivilgesellschaftliche Seite. Wichtig und umfassend, wovon aber hier nicht die Rede sein soll. Sondern von harter Sicherheit und deren Mittel. Die Armee, eingeschlossen der Luftwaffe ist Teil davon. Sie erfüllt dann ihren Zweck, wenn sie die Sicherheit für die Schweiz und ihre Bewohner tatsächlich erhöht.

Sicher gehört dazu einmal die vielgenannte Luftpolizei-Aufgabe der schweizerischen Armee. Aber schon da wird deutlich, dass effektive polizeiliche Hoheit über den schweizerischen Luftraum nur in engem Zusammenspiel mit militärischen Stellen der Nachbarländer gewährleistet werden kann. Die Schweiz wird in Minuten überflogen. Im Rahmen luftpolizeilicher Aufgaben sind Vorauswarnung, Koordination und Verfolgung über die Landesgrenzen hinweg zwingend.

Luftpolizei allein kann aber nicht die hohen Ausgaben rechtfertigen, die für Beschaffung, Training der Piloten und Unterhalt der anbegehrten Maschinen bereitgestellt werden sollen. Dank dem Friedenswerk der EWG, heute der EU - und dem atomaren Abwehrschild der NATO während des Kalten Krieges - sind militärische Konflikte im Kerneuropa seit dem 2.Weltkieg unwahrscheinlich geworden. Nicht aber an den Rändern unseres Kontinentes, in seiner unmittelbaren Nachbarschaft, wo sicherheitspolitische Interessen aller Europäer, eingeschlossen der Schweizer mit auf dem Spiel stehen.

Im Osten versucht Putin, militärisch Stück um Stück zurückzuholen, was er als Sowjetnostalgiker zu ‘Grossrussland’ gehörend sieht. Im Südosten, im Mittelmeer und seinem südlichen Rand wird Europa direkt betroffen vom Dreikampf um den Vorrang in der muslimischen Welt zwischen dem schiitischen Iran und seinen Ablegern, den sunnitischen Arabern mit unendlichem Ölgeld und dem Anspruch aus Ankara, das osmanische Erbe wieder aufzunehmen. Entsprechende Stellvertreterkriege, zusätzlich angefeuert durch Drittinteressen mannigfaltigster Art bringen Flüchtlings- und Migrationsströme mit sich, welche in Europa nicht durchwegs, aber noch zu oft auf unvorbereitete Nationalstaaten treffen. Zur direkten sicherheitspolitischen Bedrohung Europas gehört auch internationaler Terrorismus, im Mittleren Osten und in Afrika, oft angeblich islamischer Prägung, der am Entstehungsort etablierte Regierungen ins Wanken bringt und der in Europa, weit über seine zahlenmässige Stärke hinaus, durch hemmungslose Brutalität zu grosser Verunsicherung führen kann.

Angesichts solcher Herausforderungen genügt ein Verweis der Schweiz auf Distanz, Neutralität und friedenspolitische Aufgaben nicht länger. Distanz spielt angesichts der globalisierten Welt keine Rolle mehr. Ebenso hat die Neutralität praktisch ihren Inhalt verloren. Und kaschieret oft ganz andere Interessen, etwa wirtschaftlicher Natur. Die Schweiz als ‘Friedensbringerin’ ist ein hehrer, wichtiger, durchaus noch zeitgemässer, aber auch sehr viel Mittel verlangender Anspruch. Er reicht von den guten Diensten über nachhaltige Entwicklungspolitik und humanitäre Hilfe bis zur Schweiz als Symbol des Roten Kreuzes.

Mitbeteiligung an europäischer Sicherheit
Diese dritte Funktion allein langt aber nicht, um dem schweizerischen Anspruch gerecht zu werden, gleichzeitig nützliches Land im internationalen Staatenverbund zu sein und nationale Interessen zu verteidigen. Die Schweiz gehört zu den globalen Finanzmächten, ist eine auch im internationalen Vergleich grössere Wirtschaftsmacht und politisch eine europäische Mittelmacht. Das Märchen von der ‘kleinen Schweiz’, die doch nur Gutes will (und dabei kräftig verdient), nimmt uns, zumal bei unseren engen europäischen Partnern, niemand ab. Zurecht wird von der Schweiz erwartet, dass sie sich entsprechend ihrem Potential und durchaus im eigenen Interesse, an europäischen Sicherheitsaufgaben beteiligt. Auch an solchen militärischer Art. Genau dies tun wir bereits im Kosovo, wo gleichzeitig sowohl gesamteuropäische (Befriedung des Balkans) als auch spezifisch schweizerische (ex-jugoslawische Diaspora) Interessen anstehen. Weniger offensichtliche, aber ebenso dringende Aufgaben stehen an, etwa im Sahelgürtel.

Dass dazu auch die entsprechenden Mittel vorhanden sein müssen erscheint logisch. Schon vor Jahren hat ein SVP-Vorsteher des VBS vorgeschlagen, ein Grossraum-Transportflugzeug gemeinsam mit Österreich anzuschaffen. Was bereits im Parlament auf die unsichtbare Marignano-Mauer stiess. Nun hat endlich, ein Primeur in der jüngeren eidgenössischen Politik, GLP-Nationalrat Roland Fischer diese tabuisierte Glaswand durchstossen, indem er im Rahmen der Abstimmungsdiskussion über die Kampfflugzeugbeschaffung auf die Notwendigkeit der Einfügung in einen europäischen Militärverbund hinweist. Nur das rechtfertigt die hohen Kosten der anstehenden Modernisierung der schweizerischen Luftwaffe. Und weist bei der Typenauswahl in Richtung eines in Europa gefertigten und europäisch-kompatiblen Flugzeuges. Die Wahl müsste folglich auf den Eurofighter oder den Rafale fallen.

*Daniel Woker ist ehemaliger Botschafter und Co-founder von „Share-an-Ambassador /Geopolitik von Experten“ (swiss-ambashare.ch).