Meinungsbeitrag
IZA-Botschaft: Zeitenwende in der internationalen Zusammenarbeit der Schweiz?
von Martin Fässler*
| August 2023
Bis zum 20. September läuft die Vernehmlassung über die Vorschläge der Regierung zur internationalen Zusammenarbeit (IZA) der Schweiz für die Jahre 2025-28. Die Kritik unseres Mitglieds Martin Fässler: Zuwenig Einsatz für globale Nachhaltigkeit - zuviel «weiter so wie bisher». (sga-aspe).
Mit der Ukraine Invasion hat Russland jedwede regelbasierte internationale Ordnung angegriffen. “We must rise higher to rescue the Sustainable Development Goals – and stay true to our promise of a world of peace, dignity and prosperity on a healthy planet” mahnt der UN Generalsekretär António Guterres im SDG Report 2022. Angesichts der gegenwärtigen Krisen (Russland Krieg, Klima, Ernährung, Biodiversität, usw.) ist eine enorme Kraftanstrengung der internationalen Gemeinschaft nötig, um die Chancen für internationale Kooperation zu nutzen sowie die dringliche Transformation zur Klimaneutralität und die Erreichung der Nachhaltigkeitsziele auf nationaler und internationaler Ebene voranzubringen.
Der Globale Nachhaltigkeitsbericht (2023) sieht in der Finanzierungslücke die grösste Herausforderung. Erforderlich sind eine ambitionierte und couragierte Unterstützung der Transformationsprozesse und Programme der internationalen Zusammenarbeit, die auf die Transformationserfordernisse armer Länder ausgerichtet sind, beschleunigende und konzertierte Massnahmen umfassen.
Bislang gibt’s nur begrenzte Belege für eine dauerhafte Transformation in Richtung Nachhaltigkeit. Nationen und Regionen sind mit kritischen und komplexen Nachhaltigkeitsherausforderungen an den Schnittstellen sektoraler Themen konfrontiert: Nahrungsmittel-, Wasser- und Energiesicherheit; Klimawandel; Verlust der biologischen Vielfalt; natürliche Ressourcen. Die Herausforderungen gehen quer durch die «sektoriellen Silos». Vor diesem Hintergrund ist es wenig verständlich, dass in der Vernehmlassungsvorlage eine «Weiter-so-wie-bisher»-Melodie immer wieder anklingt. Ein auf die Transformationserfordernisse armer Länder ausgerichteter (ganzheitlicher) Ansatz lässt sich schwerlich ausmachen.
Klimabedingte Schäden und Verluste („Loss & Damage“) – Extremwetterereignisse, Langzeitfolgen - treffen vor allem Länder im Globalen Süden, obwohl diese am wenigsten zur Klimakrise beigetragen haben. Die Auswirkungen des Klimawandels sowie des Angriffskriegskrieges von Russland, insbesondere im Hinblick auf die Ernährungssicherheit, treiben die Verschuldung der Länder massiv an. Sie können notwendige Investitionen für Anpassungen nicht eigenständig aufbringen. Die Spirale für Schäden und Verluste sowie der Armut dreht weiter nach oben.
Die UNO-Rahmenwerke sind da
Die 15. UN-Biodiversitätskonferenz (Dezember 2022) hat ein ehrgeiziges Rahmenwerk verabschiedet, das international und national umzusetzen ist. Viele Hotspots der Biodiversität liegen in Armutsregionen. Die Länder verfügen häufig nicht über die notwendigen Mittel verfügen, um Natur- und Artenschutz voranzutreiben.
Eine starke internationale Zusammenarbeit ist unabdingbar, um die Umsetzung der Agenda 2030 für nachhaltige Entwicklung und der Pariser Klimavereinbarung zu beschleunigen. Gemeinsame Problemlösungen, die im internationalen System in netzwerkartigen Verhandlungen erfolgen, setzen Vertrauen, Kompromissfähigkeit und Respekt vor den legitimen Interessen armer Länder voraus. Vor diesem Hintergrund können sinkende Investitionen in menschliche Entwicklung in Armuts- und Entwicklungsregionen – wie in der Vernehmlassungsvorlage vorgeschlagen – nur als ein Schritt in die falsche Richtung interpretiert werden.
Der hohe Preis der Scheinheiligkeit
Dazu kommt, dass die beabsichtigte Finanzierung der Ukraine Wiederaufbau-Hilfe mit Mitteln aus dem Entwicklungshilfebudget zu Lasten von armen Ländern geht und ein weit verbreitetes Misstrauen noch verstärkt. Auch die Schweiz stellt zentrale Anliegen von ärmeren Ländern hintan, sobald es «ernst» wird und auch ihre Interessen unmittelbar betroffen sind. Für ein international besonders stark vernetztes Land ist der Preis für Eurozentrismus, «Scheinheiligkeit» und das Nichteinhalten von Fairnessversprechen enorm hoch. Für die Kooperationsfähigkeit der Schweiz sind verlässliche Allianzen auch mit armen Ländern unerlässlich. Dazu gehört auch eine grössere Kohärenz zwischen Innen- und Aussenpolitik.
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*Martin Fässler hat 20 Jahre Erfahrung in der internationalen Zusammenarbeit. Er war Mitglied der Direktion und Stabschef.in der Direktion für Entwicklung und Zusammenarbeit im Departement für auswärtige Angelegenheiten (EDA).
Mit der Ukraine Invasion hat Russland jedwede regelbasierte internationale Ordnung angegriffen. “We must rise higher to rescue the Sustainable Development Goals – and stay true to our promise of a world of peace, dignity and prosperity on a healthy planet” mahnt der UN Generalsekretär António Guterres im SDG Report 2022. Angesichts der gegenwärtigen Krisen (Russland Krieg, Klima, Ernährung, Biodiversität, usw.) ist eine enorme Kraftanstrengung der internationalen Gemeinschaft nötig, um die Chancen für internationale Kooperation zu nutzen sowie die dringliche Transformation zur Klimaneutralität und die Erreichung der Nachhaltigkeitsziele auf nationaler und internationaler Ebene voranzubringen.
Der Globale Nachhaltigkeitsbericht (2023) sieht in der Finanzierungslücke die grösste Herausforderung. Erforderlich sind eine ambitionierte und couragierte Unterstützung der Transformationsprozesse und Programme der internationalen Zusammenarbeit, die auf die Transformationserfordernisse armer Länder ausgerichtet sind, beschleunigende und konzertierte Massnahmen umfassen.
Bislang gibt’s nur begrenzte Belege für eine dauerhafte Transformation in Richtung Nachhaltigkeit. Nationen und Regionen sind mit kritischen und komplexen Nachhaltigkeitsherausforderungen an den Schnittstellen sektoraler Themen konfrontiert: Nahrungsmittel-, Wasser- und Energiesicherheit; Klimawandel; Verlust der biologischen Vielfalt; natürliche Ressourcen. Die Herausforderungen gehen quer durch die «sektoriellen Silos». Vor diesem Hintergrund ist es wenig verständlich, dass in der Vernehmlassungsvorlage eine «Weiter-so-wie-bisher»-Melodie immer wieder anklingt. Ein auf die Transformationserfordernisse armer Länder ausgerichteter (ganzheitlicher) Ansatz lässt sich schwerlich ausmachen.
Klimabedingte Schäden und Verluste („Loss & Damage“) – Extremwetterereignisse, Langzeitfolgen - treffen vor allem Länder im Globalen Süden, obwohl diese am wenigsten zur Klimakrise beigetragen haben. Die Auswirkungen des Klimawandels sowie des Angriffskriegskrieges von Russland, insbesondere im Hinblick auf die Ernährungssicherheit, treiben die Verschuldung der Länder massiv an. Sie können notwendige Investitionen für Anpassungen nicht eigenständig aufbringen. Die Spirale für Schäden und Verluste sowie der Armut dreht weiter nach oben.
Die UNO-Rahmenwerke sind da
Die 15. UN-Biodiversitätskonferenz (Dezember 2022) hat ein ehrgeiziges Rahmenwerk verabschiedet, das international und national umzusetzen ist. Viele Hotspots der Biodiversität liegen in Armutsregionen. Die Länder verfügen häufig nicht über die notwendigen Mittel verfügen, um Natur- und Artenschutz voranzutreiben.
Eine starke internationale Zusammenarbeit ist unabdingbar, um die Umsetzung der Agenda 2030 für nachhaltige Entwicklung und der Pariser Klimavereinbarung zu beschleunigen. Gemeinsame Problemlösungen, die im internationalen System in netzwerkartigen Verhandlungen erfolgen, setzen Vertrauen, Kompromissfähigkeit und Respekt vor den legitimen Interessen armer Länder voraus. Vor diesem Hintergrund können sinkende Investitionen in menschliche Entwicklung in Armuts- und Entwicklungsregionen – wie in der Vernehmlassungsvorlage vorgeschlagen – nur als ein Schritt in die falsche Richtung interpretiert werden.
Der hohe Preis der Scheinheiligkeit
Dazu kommt, dass die beabsichtigte Finanzierung der Ukraine Wiederaufbau-Hilfe mit Mitteln aus dem Entwicklungshilfebudget zu Lasten von armen Ländern geht und ein weit verbreitetes Misstrauen noch verstärkt. Auch die Schweiz stellt zentrale Anliegen von ärmeren Ländern hintan, sobald es «ernst» wird und auch ihre Interessen unmittelbar betroffen sind. Für ein international besonders stark vernetztes Land ist der Preis für Eurozentrismus, «Scheinheiligkeit» und das Nichteinhalten von Fairnessversprechen enorm hoch. Für die Kooperationsfähigkeit der Schweiz sind verlässliche Allianzen auch mit armen Ländern unerlässlich. Dazu gehört auch eine grössere Kohärenz zwischen Innen- und Aussenpolitik.
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*Martin Fässler hat 20 Jahre Erfahrung in der internationalen Zusammenarbeit. Er war Mitglied der Direktion und Stabschef.in der Direktion für Entwicklung und Zusammenarbeit im Departement für auswärtige Angelegenheiten (EDA).
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