Editorial
Der Strohhalm des Bundesrates
von SGA-Präsidentin Gret Haller
| Dezember 2015
Für die Beziehungen der Schweiz zur Europäischen Union hat der Bundesrat einen Strohhalm entdeckt. Es ist Artikel 14 Absatz 2 des Freizügigkeitsabkommens.
Artikel 14 des Freizügigkeitsabkommens erlaubt es den Vertragsparteien, "geeignete Massnahmen" zu treffen, wenn durch Zuwanderung "schwerwiegende wirtschaftliche oder soziale" Probleme entstehen. Gestützt darauf will der Bundesrat eine Schutzklausel zur Anwendung bringen, notfalls sogar ohne Zustimmung der Union. Aber sind diese Bedingungen überhaupt erfüllt? Das wird jedenfalls die Union im gesamteuropäischen Vergleich beurteilen. Und da geht es der Schweiz – glücklicherweise! – einfach zu gut. Insoweit die Personenfreizügigkeit wirtschaftliche oder soziale Probleme aufwirft, sind diese nämlich ohne weiteres innerstaatlich lösbar, und ohne die Freizügigkeit einzuschränken. Selbst wenn einzelne EU-Vertreter der Schweiz vielleicht sogar etwas entgegenkommen möchten: Sie können es nicht, weil das Sorgenkind Grossbritannien als EU-Mitglied sofort das selbe beanspruchen würde.
Deshalb sollte man Klartext reden: Die Probleme, welche die Schweiz mit der Personenfreizügigkeit hat, sind weder wirtschaftlicher noch sozialer, sondern ausschliesslich politischer Natur. Auch dazu lohnt sich eine gesamteuropäische Betrachtung. Nationalismus ist heute ein gesamteuropäisches Phänomen. Zurzeit fürchtet sich Europa besonders vor einem Sieg der Nationalisten in Frankreich. Das kann der Schweiz nicht passieren, denn in ihrem Regierungssystem sind Parlaments- und Bundesratswahlen so konzipiert, dass solche Extrempositionen in der Minderheit bleiben. Eine Initiative auf Volkswahl des Bundesrates, welche diese Sicherung hätte sprengen können, wurde von allen Kantonen und von mehr als drei Vierteln des Volkes in kluger staatspolitischer Weitsicht deutlich abgelehnt.
Das gesamteuropäische Phänomen des Nationalismus findet sich heute in einem Teil der SVP – wohlverstanden nur bei einigen Hardlinern in dieser Partei. Seit Jahrzehnten erreicht in der Schweiz aber keine Partei die Marke von 30%. Vielleicht wird diese Grenze einmal leicht überschritten, mehr ist in der Schweiz kaum denkbar. Darüber hinaus enthält das Konkordanzsystem einen Sicherheitsfaktor: Extremistische Querschläger erträgt es im Bundesrat auf die Länge nicht.
Neben dem Staatsaufbau gibt es auch eine wirtschaftliche Sicherung, und diese reicht historisch weit zurück. Dieser Staat wurde nicht in einer Aufwallung nationaler Identität gegründet, sondern er entstand 1848 aus purer wirtschaftlicher Notwendigkeit. Wirtschaftliches Wohlergehen ist eine Grundtriebfeder schweizerischer Existenz, und sie beruht auf Verständigung zwischen den Sozialpartnern, aber auch zwischen den Kantonen und den Sprachregionen. Verständigung ist alles andere als Fundamentalismus. Die Schweizer Wirtschaft wird nicht Selbstmord begehen, auch nicht auf Wunsch einiger nationalistischer Hardliner. Für Fundamentalismus ist die Schweiz kein fruchtbarer Boden, sei dieser nun religiös oder nationalistisch.
Deshalb ist es erstaunlich, dass sich der Bundesrat durch ein paar nationalistische Hardliner sozusagen vor sich her treiben lässt und sogar selber Schritte vorschlägt, welche die Beziehungen zur EU gefährden. Er könnte nämlich mit diesem Thema viel gelassener umgehen. Zum Beispiel könnte er dem Volk ganz einfach die Frage zur Abstimmung vorlegen, ob es die bilateralen Beziehungen zur Union weiterführen will oder nicht. Dafür lässt sich auch das Parlament gewinnen, denn offensichtlich gibt es in diesem Land eine grosse Mehrheit, welche die Beziehungen zur EU nicht aufs Spiel setzen will.
Artikel 14 des Freizügigkeitsabkommens erlaubt es den Vertragsparteien, "geeignete Massnahmen" zu treffen, wenn durch Zuwanderung "schwerwiegende wirtschaftliche oder soziale" Probleme entstehen. Gestützt darauf will der Bundesrat eine Schutzklausel zur Anwendung bringen, notfalls sogar ohne Zustimmung der Union. Aber sind diese Bedingungen überhaupt erfüllt? Das wird jedenfalls die Union im gesamteuropäischen Vergleich beurteilen. Und da geht es der Schweiz – glücklicherweise! – einfach zu gut. Insoweit die Personenfreizügigkeit wirtschaftliche oder soziale Probleme aufwirft, sind diese nämlich ohne weiteres innerstaatlich lösbar, und ohne die Freizügigkeit einzuschränken. Selbst wenn einzelne EU-Vertreter der Schweiz vielleicht sogar etwas entgegenkommen möchten: Sie können es nicht, weil das Sorgenkind Grossbritannien als EU-Mitglied sofort das selbe beanspruchen würde.
Deshalb sollte man Klartext reden: Die Probleme, welche die Schweiz mit der Personenfreizügigkeit hat, sind weder wirtschaftlicher noch sozialer, sondern ausschliesslich politischer Natur. Auch dazu lohnt sich eine gesamteuropäische Betrachtung. Nationalismus ist heute ein gesamteuropäisches Phänomen. Zurzeit fürchtet sich Europa besonders vor einem Sieg der Nationalisten in Frankreich. Das kann der Schweiz nicht passieren, denn in ihrem Regierungssystem sind Parlaments- und Bundesratswahlen so konzipiert, dass solche Extrempositionen in der Minderheit bleiben. Eine Initiative auf Volkswahl des Bundesrates, welche diese Sicherung hätte sprengen können, wurde von allen Kantonen und von mehr als drei Vierteln des Volkes in kluger staatspolitischer Weitsicht deutlich abgelehnt.
Das gesamteuropäische Phänomen des Nationalismus findet sich heute in einem Teil der SVP – wohlverstanden nur bei einigen Hardlinern in dieser Partei. Seit Jahrzehnten erreicht in der Schweiz aber keine Partei die Marke von 30%. Vielleicht wird diese Grenze einmal leicht überschritten, mehr ist in der Schweiz kaum denkbar. Darüber hinaus enthält das Konkordanzsystem einen Sicherheitsfaktor: Extremistische Querschläger erträgt es im Bundesrat auf die Länge nicht.
Neben dem Staatsaufbau gibt es auch eine wirtschaftliche Sicherung, und diese reicht historisch weit zurück. Dieser Staat wurde nicht in einer Aufwallung nationaler Identität gegründet, sondern er entstand 1848 aus purer wirtschaftlicher Notwendigkeit. Wirtschaftliches Wohlergehen ist eine Grundtriebfeder schweizerischer Existenz, und sie beruht auf Verständigung zwischen den Sozialpartnern, aber auch zwischen den Kantonen und den Sprachregionen. Verständigung ist alles andere als Fundamentalismus. Die Schweizer Wirtschaft wird nicht Selbstmord begehen, auch nicht auf Wunsch einiger nationalistischer Hardliner. Für Fundamentalismus ist die Schweiz kein fruchtbarer Boden, sei dieser nun religiös oder nationalistisch.
Deshalb ist es erstaunlich, dass sich der Bundesrat durch ein paar nationalistische Hardliner sozusagen vor sich her treiben lässt und sogar selber Schritte vorschlägt, welche die Beziehungen zur EU gefährden. Er könnte nämlich mit diesem Thema viel gelassener umgehen. Zum Beispiel könnte er dem Volk ganz einfach die Frage zur Abstimmung vorlegen, ob es die bilateralen Beziehungen zur Union weiterführen will oder nicht. Dafür lässt sich auch das Parlament gewinnen, denn offensichtlich gibt es in diesem Land eine grosse Mehrheit, welche die Beziehungen zur EU nicht aufs Spiel setzen will.
Kolumne
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Vom 6. bis 9. Juni wählen die Bürger der Europäischen Union das EU-Parlament. Eine gewichtige europäische Institution, deren Entscheide auch die Schweiz betreffen werden. Erwartet wird ein Rutsch nach rechts, eventuell eine Beteiligung der bisher auf Armeslänge gehaltenen extremen Rechten an der Mehrheit, welche über die Präsidentschaft der EU-Kommission entscheiden wird. SGA-Mitglied Gilbert Casasus wirft einen Blick auf das nicht mehr selbstverständliche Zusammenspiel zwischen Frankreich und Deutschland.
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