Globalisierte Unternehmen in der Pflicht

von Christoph Wehrli | November 2017
Braucht es in der Schweiz neue gesetzliche Regeln, damit Unternehmen bei ihrer Tätigkeit im Ausland Menschenrechte und Umweltstandards respektieren? Ein Vortrag von Mark Pieth war im Rahmen der Aussenpolitischen Aula der SGA die Basis für eine intensive Debatte.

Zum Selbstverständnis der Schweiz als Land der Sicherheit, der Sauberkeit und der Lebensqualität, passe nicht, dass sie auch als «Piratenhafen» diene, dass die Welt in mancher Hinsicht unter ihr leide. Diese Grundaussage begründete der Basler Strafrechtsprofessor Mark Pieth an einer Veranstaltung der SGA an der Universität Zürich mit Blick auf international tätige Unternehmen. Er meinte zum Beispiel die Beteiligung von Banken und Anwälten an der Errichtung von Sitzgesellschaften, namentlich auch in Panama, hinter denen sich Kleptokraten, Drogenbarone, Menschenhändler und Kriegsverbrecher verbergen können. Er erwähnte die Verwicklung in Korruptionsfälle, und er ging besonders auf die «Gold-Wäsche» ein. 70 Prozent des raffinierten Golds hat den Weg über die Schweiz gemacht. Da dieser Verarbeitungsprozess die Spuren der Herkunft tilgt, kommt den Raffinerien eine besondere Verantwortung zu, sich zu vergewissern, ob das Gold nicht illegal, mit gefährlichen Methoden, mit Kinderarbeit oder unter Beteiligung bewaffneter Banden gewonnen worden ist. Trotz manchen Beteuerungen gelange nachweislich immer noch «schmutziges» Gold in die Schweiz, sagte Pieth.

«Weiches Recht» reicht nicht
Öffentlicher Kritik ausgesetzte Unternehmen erklären in der Regel, sie hielten sich an die Gesetze des jeweiligen Landes und übernähmen darüber hinaus eine gesellschaftliche Verantwortung (Corporate Social Responsibility, CSR). Als Grundlagen dienen oft internationale Richtlinien und Standards. Nach Pieths 25jähriger Erfahrung reicht aber solches «Soft Law» alleine nicht aus; wirksam sei eine Kombination mit verbindlichen Regeln des Staats. Auf zwei Mängel im Strafrecht wies der Experte speziell hin. Die Bundesanwaltschaft definiere die Vorsätzlichkeit eines strafbaren wirtschaftlichen Handelns aussergewöhnlich eng, wenn beispielsweise die Verantwortlichen einer Goldraffinerie um die Herkunft des Rohstoffs hätten wissen können oder müssen. Und die Haftung des Unternehmens beschränke sich auf Tatbestände gemäss zwingenden internationalen Verpflichtungen (Bereiche wie Terrorismusfinanzierung, Korruption und andere); sonst, bei Gewaltverbrechen, Umweltschädigung und weiteren Delikten) greife sie nur, wenn wegen mangelhafter Organisation kein persönlicher Täter eruiert werden kann.

Umstrittene Initiative
In der von Markus Mugglin geleiteten Diskussion ging es immer wieder um die Konzernverantwortungsinitiative, über die gegenwärtig eine Ständeratskommission berät. Nationalrätin Christa Markwalder (FDP, Bern), Juristin bei der Zurich Insurance Group, hielt fest, dass die Schweiz, wie etwa das Korruptionsstrafrecht zeige, keineswegs untätig sei, wandte sich aber gegen Verfassungsbestimmungen, wie sie die Initiative verlangt. Eine sehr weit gehende Haftungsregelung könnte nicht zuletzt bewirken, dass Investitionen in Entwicklungsländern abnähmen. Vor allem sei eine solche Rechtsetzung unnötig, da die meisten Unternehmen schon wegen der Reputationsrisiken – namentlich, um Kampagnen von NGO-Seite zu vermeiden – ihre Verantwortung wahrnähmen, und zwar nicht nur in sozialer Hinsicht. Karl Hofstetter, Präsident von Swissholdings, dem Verband der multinationalen Konzerne, sprach seinerseits von «Einzelfällen», die keine generelle Regelung rechtfertigten. Die Initiative würde auch für KMU gelten und diese hätten eine Welle von Klagen zu befürchten, die von amerikanischen Anwälten geführt würden. Soweit es Gesetze brauche, stünden in erster Linie die Gaststaaten, wo die Konzerne tätig seien, in der Pflicht, und in Asien seien zum Beispiel im Arbeitsrecht grosse Fortschritte zu verzeichnen. Bei subsidiären Regelungen in der Schweiz frage sich, ob sich das Strafrecht gegen Unternehmen oder nicht gegen die verantwortlichen Personen richten sollte.

Monika Roth, Professorin für Wirtschaftsstrafrecht an der Hochschule Luzern und Mitglied des Initiativkomitees, betonte demgegenüber, die Respektierung von Menschenrechten und Umweltstandards sei nicht verhandelbar, gehe über die Einhaltung der jeweiligen nationalen Gesetze hinaus und bedürfe einer Regelung mit Sanktionen. Die Verantwortung für ganze Lieferketten sei grundsätzlich nichts Neues, sie werde bereits etwa beim Qualitätsmanagement praktiziert. Mark Pieth äusserte sich nicht direkt zur Initiative, zweifelte jedoch, ob in der Rohstoffbranche die Sorge um Reputationsrisiken ihre Wirkung tue. Wenn ein Land wie Nigeria nicht in der Lage sei, mit den einschlägigen Problemen gut umzugehen, handle die Schweiz mit einer Regulierung nicht imperialistisch, sondern solidarisch.

In beiden Richtungen wurde mit den «gleich langen Spiessen» argumentiert. Staatliche Regeln, wurde angeführt, verhinderten, dass «anständige» Unternehmen benachteiligt würden. Während die einen die Schweiz gegenüber vergleichbaren Ländern gesetzgeberisch im Rückstand sahen, warnten die anderen davor, den Standort schlechter zu stellen als die Konkurrenz. Die Möglichkeit eines Gegenvorschlags zur Initiative kam nur kurz Sprache. - Die Diskussion dürfte weitergehen, und das Thema stösst, der vollen Aula nach zu schliessen, auf starkes Interesse.