Kolumne
«Rule of Law» statt Souveränität
von Daniel Thürer
| Februar 2014
Begriffe ordnen unser Denken. Sie können aber auch einen beherrschenden Charakter haben. Sie können wertneutral und wertgeladen, antiquiert und zukunftsoffen sein. In die Welt der beherrschenden, wertgeladenen und antiquierten Begriffe gehört derjenige der Souveränität – auch wenn er in der Schweizer Politik populärer denn je zu sein scheint.
Souveränität will in einem rechtlich-politischen Gebilde die «Höchstmächtigkeit» («suprema potestas») festlegen. Sie sucht, in einem System von Machtbeziehungen die eine und letzte Basis, Mitte oder Spitze festzulegen, wie immer man die Verortung der Höchstmächtigkeit bezeichnen will.
Souveränität nach innen
Der Gedanke der monistischen Verantwortung der Staats«gewalt» in einem einzigen Organ hat seinen klassischen Ausdruck gefunden in der (absolutistischen) Monarchie: Kaiser, König oder Fürst wurden als der Souverän genannt. In der schweizerischen Demokratie wird oft das «Volk» (d.h. die Summe der Stimmberechtigten) als der Souverän bezeichnet. Die Vorstellung der Letztzuständigkeit des Volkes geht auf die alten Landsgemeindedemokratien zurück, hat aber seine aktuelle Ausformung in der Doktrin der Volkssouveränität der Französischen Revolution gefunden. In keinem Staat wurde die Doktrin der «souveraineté du peuple» so weitgehend übernommen wie in der Schweiz. In Grossbritannien wird die Souveränität «Her Majesty in Parliament» zuerkannt. Allen Modellen – dem absolutistischen schweizerischen und britischen – wohnen die Mängel der Machtkumulation und die Gefahr der Willkür inne. Schutz vor Machtmissbrauch bieten dagegen pluralistische, konstitutionelle Institutionengefüge der verfassungsmässigen Demokratie.
Souveränität nach aussen
Das Völkerrecht («International Law») wurde früher einmal «Law of Nations» genannt. Die Staaten (Nationen) galten als Souverän. Sie wurden als nebeneinander stehend, ko- existierend jedoch auch kooperierend konzipiert. In ihre Hoheitssphäre durfte nur mit ihrer expliziten oder impliziten Zustimmung eingegriffen werden.
Noch die Charta der Vereinten Nationen von 1945 nannte als erstes der sie begründenden Prinzipien die Souveränität und Gleichheit der Staaten. Souveräne Gleichheit ist aber in der modernen Welt des Rechts und der Politik längst durch Prinzipien der Zusammenarbeit und Integration ergänzt, überholt und überlagert worden. Im institutionellen Rahmen der europäischen Integration ist er schlicht obsolet geworden.
«Rule of Law», «Sovereignty of Law»
In England sind in den letzten Jahren zwei richtungsweisende Bücher erschienen. Tom Brigham, Lordrichter, ersetzte den Begriff der Souveränität nach innen und nach aussen mit demjenigen des «Rule of Law». Er kam zum Schluss, dass Konzepte wie das Verbot der Diskriminierung nach Herkommen, Geschlecht usw., zusammen mit einem Kernbestand der Menschenrechte, zu den (quasi zivil-religiösen) Grundlagen der modernen Welt schlechthin gehören. Sir Francis G. Jacobs betont, dass diese Prinzipien zum «gemeinsamen Erbe der europäischen Völker» zählen. Sie sind im Statut des Europarates, der Europäischen Menschenrechtskonvention und dem Lissabon-Vertrag niedergelegt. Sie bilden – so Jacobs – «the european way» des Zusammenlebens der Staaten, Völker und Menschen in Europa.
Es wäre gut, wenn wir uns in der Schweiz vermehrt auf diese Grundlagen der europäischen Rechtskultur besinnen würden – und weniger auf das antiquierte Konzept der Souveränität.
Souveränität will in einem rechtlich-politischen Gebilde die «Höchstmächtigkeit» («suprema potestas») festlegen. Sie sucht, in einem System von Machtbeziehungen die eine und letzte Basis, Mitte oder Spitze festzulegen, wie immer man die Verortung der Höchstmächtigkeit bezeichnen will.
Souveränität nach innen
Der Gedanke der monistischen Verantwortung der Staats«gewalt» in einem einzigen Organ hat seinen klassischen Ausdruck gefunden in der (absolutistischen) Monarchie: Kaiser, König oder Fürst wurden als der Souverän genannt. In der schweizerischen Demokratie wird oft das «Volk» (d.h. die Summe der Stimmberechtigten) als der Souverän bezeichnet. Die Vorstellung der Letztzuständigkeit des Volkes geht auf die alten Landsgemeindedemokratien zurück, hat aber seine aktuelle Ausformung in der Doktrin der Volkssouveränität der Französischen Revolution gefunden. In keinem Staat wurde die Doktrin der «souveraineté du peuple» so weitgehend übernommen wie in der Schweiz. In Grossbritannien wird die Souveränität «Her Majesty in Parliament» zuerkannt. Allen Modellen – dem absolutistischen schweizerischen und britischen – wohnen die Mängel der Machtkumulation und die Gefahr der Willkür inne. Schutz vor Machtmissbrauch bieten dagegen pluralistische, konstitutionelle Institutionengefüge der verfassungsmässigen Demokratie.
Souveränität nach aussen
Das Völkerrecht («International Law») wurde früher einmal «Law of Nations» genannt. Die Staaten (Nationen) galten als Souverän. Sie wurden als nebeneinander stehend, ko- existierend jedoch auch kooperierend konzipiert. In ihre Hoheitssphäre durfte nur mit ihrer expliziten oder impliziten Zustimmung eingegriffen werden.
Noch die Charta der Vereinten Nationen von 1945 nannte als erstes der sie begründenden Prinzipien die Souveränität und Gleichheit der Staaten. Souveräne Gleichheit ist aber in der modernen Welt des Rechts und der Politik längst durch Prinzipien der Zusammenarbeit und Integration ergänzt, überholt und überlagert worden. Im institutionellen Rahmen der europäischen Integration ist er schlicht obsolet geworden.
«Rule of Law», «Sovereignty of Law»
In England sind in den letzten Jahren zwei richtungsweisende Bücher erschienen. Tom Brigham, Lordrichter, ersetzte den Begriff der Souveränität nach innen und nach aussen mit demjenigen des «Rule of Law». Er kam zum Schluss, dass Konzepte wie das Verbot der Diskriminierung nach Herkommen, Geschlecht usw., zusammen mit einem Kernbestand der Menschenrechte, zu den (quasi zivil-religiösen) Grundlagen der modernen Welt schlechthin gehören. Sir Francis G. Jacobs betont, dass diese Prinzipien zum «gemeinsamen Erbe der europäischen Völker» zählen. Sie sind im Statut des Europarates, der Europäischen Menschenrechtskonvention und dem Lissabon-Vertrag niedergelegt. Sie bilden – so Jacobs – «the european way» des Zusammenlebens der Staaten, Völker und Menschen in Europa.
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