Wochenrückblick

Die Schweiz im Sicherheitsrat: KW 3/2023

von Johann Aeschlimann | Januar 2023
Ukraine, der israelisch-palästinensische Konflikt im Nahen Osten und der Bürgerkrieg in Jemen, waren diese Woche die Themen im UNO-Sicherheitsrat. Die Schweiz konzentrierte ihre Beiträge auf die humanitäre Hilfe an die Opfer von Krieg und Gewalt, namentlich die Kinder.

Ukraine: Der Krieg gegen die russischen Invasoren beschäftigte den Rat zweimal – beide Male auf Initiative von Russland. Am Freitag veranstaltete Russland eine Sitzung gemäss «Arria-Formel» (informelle Beratung ausserhalb der gewohnten Geschäftsordnung), um “eine umfassende Analyse von Hintergrund, Ursachen, Verlauf und gegenwärtiger Lage des systematischen Kriegs des Kiewer Regimes gegen die Bevölkerung im Donbass» anzuhören, wie es in der russischen Debattenunterlage (concept note) hiess. Eingeladen waren alle UNO-Mitgliedsstaaten, als Redner angekündigt ein französischer Anwalt, ein spanischer Politologe und eine «Aktivistin» aus der Region Donetsk. Nach russischer Darstellung sollte das Treffen insbesondere den neuen Ratsmitgliedern – also auch der Schweiz – «Berichte aus erster Hand» über die umkämpften ukrainischen Ostgebiete liefern. Die Schweiz wies die russische Darstellung und die russische Rhetorik zurück und nannte das Treffen einen «Versuch Russlands, seine Aggression in der Ukraine zu rechtfertigen». Die Schweiz forderte den unverzüglichen Abzug der russischen Streitkräfte aus der Ukraine und verwies Russland auf das internationale Kriegsrecht und die Pflichten einer Besatzungsmacht. Sie unterstrich die Bedeutung der Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa (OSZE) als Rahmen bei der Suche nach einer Beilegung des Konflikt.

Am Dienstag hatte der Rat sich ebenfalls auf Initiative Russlands mit dem Vorwurf befasst, in der Ukraine werde die mit dem Patriarchat von Moskau verbundene Orthodoxe Kirche verfolgt. Ein Vertreter des Patriarchats beklagte «massenhafte Repression». Eine Vertreterin des UNO-Hochkommissariats für Menschenrechte (OCHCR) beschrieb Verletzungen der Religionsfreiheit auf beiden Seiten der Front, prangerte aber vor allem die täglichen schweren Menschenrechtsverletzungen durch den russischen Angriffskrieg an, die weit mehr als die vom OCHCR offiziell registrierten 7000 Todesopfer gefordert habe. Die Schweiz verurteilte die jüngsten Attacken auf Zivilisten und ein Gebäude des Roten Kreuzes, erinnerte daran, dass bewusste derartige Handlungen Kriegsverbrechen sind, forderte Verhältnismässigkeit beim militärischen Vorgehen und zeigte sich besorgt über summarische Exekutionen, Folter, sexuelle Kriegshandlungen und das Verschwindenlassen von Personen. Zur Religionsfreiheit erklärte die Schweiz, die Kirchen sollten sich dafür einsetzen, «Hassreden» einzudämmen.

Nahost: In der regulären Nahostdebatte sagte der UNO-Nahostkoordinator dem Rat, im israelisch-palästinensischen Konflikt sei 2022 eines der todbringendsten Jahre in jüngerer Zeit gewesen, und der «negative Trend» halte an. Zwischen dem 8. Dezember 2022 und dem 13. Januar 2023 seien 14 Palästinenser von den israelischen Sicherheitskräften getötet und 117 verwundet worden. Israelischen Angaben zufolge wurden 5 israelische Soldaten und 4 Zivilisten durch Steinwürfe und anderes verletzt. Der israelische Vertreter erklärte dem Rat, solche Zahlen gründeten auf «methodischer Diskrimination» und die grosse Mehrheit der palästinensischen Opfer seien «Terroristen, die neutralisiert wurden». Die Schweiz appellierte an alle Parteien, Rücksicht auf Zivilisten zu nehmen, forderte die Untersuchung von Vorwürfen israelischer Unverhältnismässigkeit, wies auf die hohe Zahl von gewalttätigen Übergriffen durch israelische Siedler hin und rief der Besatzungsmacht Israel die internationalen Verpflichtungen gegenüber der Bevölkerung in besetzten Gebieten in Erinnerung. Die Schweiz begrüsste die Normalisierung in den Beziehungen Israels zu arabischen Staaten und äusserte die Hoffnung, dass diese Vorgänge auch den Palästinensern zugutekommen können.

Jemen: Die Fortsetzung des provisorischen Waffenstillstands vom vergangenen Oktober und die durch den Bürgerkrieg hervorgerufene humanitäre Katastrophe waren am Montag Gegenstand der Beratungen. Der UNO-Sondergesandte Hans Grundberg beschrieb fortlaufende militärische Aktivitäten, warnte vor «negativer Rhetorik», erwähnte «Kontakte» und «Diskussionen» um eine Beilegung des Konflikts und schilderte die «alarmierende humanitäre Not». In diesem Jahr werden nach seinen Angaben über 23 Millionen Menschen im Jemen humanitäre Hilfe benötigen. Grundberg sagte, die von der Houthi-Bewegung befohlene Beschränkung der Bewegungsfreiheit von Frauen (keine Frau ohne männliche mahram-Begleitung in der Öffentlichkeit) behindere die Arbeit der Hilfsorganisationen. Alle europäischen Ratsmitglieder kritisierten die Houthi als unzuverlässige Partner im Waffenstillstand und forderten die Lockerung der mahram-Doktrin. Die Ausnahme machte die Schweiz. Die Schweizer Vertreterin erwähnte weder die Houthi noch mahram, sondern nannte in allgemeiner Form die Elemente, die für einen dauerhaften Waffenstillstand und ein Friedensabkommen notwendig seien. Eines davon lautet, humanitäre Hilfe müsse sich einzig nach den Bedürfnissen richten. Alles humanitäre Personal – «die Frauen wie die Männer» - müsse Bewegungsfreiheit zur Verteilung von Dienstleistungen und Gütern erhalten.

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