Wochenrückblick

Die Schweiz im Sicherheitsrat KW 15/2023

von Johann Aeschlimann | April 2023
Ratsproteste: Wenn Worte nicht mehr genügen, um Widerwillen und Protest auszudrücken, verlässt die Delegation eines Landes den Sitzungssaal. Im UN-Jargon heisst das walkout («Ausmarsch»). Die russische Ratspräsidentschaft im Monat April hat Rufe nach einem solchen Protest ausgelöst. Im Informationsdienst Passblue wurde die Schweiz aufgefordert, sich einem Boykott anzuschliessen und in der Waffenexport-Sitzung dieser Woche (siehe unten) ihren Platz leer zu lassen. Sie hat es nicht getan. Wir wollten wissen, ob die Frage innerhalb des Aussenministeriums überhaupt erörtert worden ist und erhielten vom EDA folgende Antwort: «Die Schweiz hat ein klares Interesse, dass der UNO-Sicherheitsrat handlungsfähig bleibt. Sie erwartet von Russland, dass es den Ratsvorsitz gemäss den geltenden Regeln und der etablierten Praxis wahrnimmt.  Gleichzeitig verurteilt sie die militärische Aggression Russlands gegen die Ukraine aufs Schärfste und ruft Russland dazu auf, seine Verpflichtungen gemäss UNO-Charta einzuhalten. Die Schweiz hat eine langjährige Praxis, sich grundsätzlich nur in Ausnahmefällen an sogenannten «walk outs» zu beteiligen. Damit soll der Dialog auch in schwierigen politischen Konstellationen aufrechterhalten werden.»

Waffenexport: Russland hat  «Verletzungen von Abkommen über den Export von Waffen und militärischen Gütern» traktandiert. Aufs Korn genommen waren die massiven Militärhilfen an die von Russland überfallene Ukraine. Der russische Sprecher nahm denn auch Bezug auf die «Krise in der Ukraine» und nannte die Unterstützung aus Amerika und Europa eine «klare Demonstration westlicher Unehrlichkeit im verantwortlichen Verhalten bei der Rüstungskontrolle». Die UNO-Rüstungskontrollchefin präsentierte eine Auslegeordnung der geltenden internationalen Abkommen. Die Voten in der Debatte können in zwei Gruppen geteilt werden. Die NATO- und EU-Staaten argumentierten, die angegriffene Ukraine habe das Recht auf Selbstverteidigung, und es sei nicht nur legitim, sondern Pflicht, sie zu unterstützen. Die anderen gingen dem konkreten Fall aus dem Weg und erliessen Aufrufe und Mahnungen in allgemeiner Form. Zu ihnen gehörte die Schweiz. Sie sprach wie ein Feldprediger, der die Lehren des Allmächtigen rezitiert, während rundum die Schlacht tobt. Wer den Kontext nicht kennt, kommt bei der Lektüre der schweizerischen Stellungnahme nicht darauf, dass Bern sich derzeit um die Bewilligung von Reexporten schweizerischer Rüstungsgüter an die Ukraine windet. Am Tag der Debatte sagte der Sprecher des UNO-Generalsekretärs, auf beiden Seiten der Front beobachte man Angriffe auf Spitäler und medizinisches Personal. 2022 seien 70 Prozent aller derartigen Angriffe weltweit in der Ukraine geschehen. Gut zu wissen: Alle europäischen Staaten sind dem UNO-Waffenhandelsvertrag (Arms Trade Treaty ATT) beigetreten. Die USA und die Ukraine haben unterschrieben, aber nicht ratifiziert. Russland ist nicht dabei.

Mali: Der UNO-Sondergesandte und Chef der Blauhelmmission in Mali (MINUSMA) schilderte eine «volatile» Situation, gekennzeichnet durch einen Anstieg bewaffneter Aktivitäten islamistischer Gruppen und eine «katastrophale» humanitäre Lage (30 000 Flüchtlinge ohne Wasser). Er plädierte für die Fortsetzung des UNO-Engagements bei der Erfüllung eines aus dem Jahre 2015 stammenden Versöhnungsabkommens. Das Mandat läuft Ende Juni aus. Zum Thema siehe auch Hintergrundbericht «Mali – von Entwicklungszusammenarbeit in unruhigen Zeiten».

Myanmar: Auf Antrag Grossbritanniens diskutierte der Rat die Luftangriffe des Militärs auf das Dorf Pazigyi im Nordwesten des Landes. Ein Ergebnis der Sitzung wurde nicht bekannt. Im Anschluss erklärte die britische Vertreterin vor der Presse, der Rat solle die Angriffe verurteilen.

Kolumbien: Alle Vierteljahre muss die UNO-Überprüfungsmission (UN Verification Mission), über den Fortschritt bei der Beendigung der jahrzehntelangen Kämpfe zwischen den FARC-Rebellen und der Regierung rapportieren, und dieses Mal fiel der Bericht sehr positiv aus. Der seit einem Jahr amtierende Präsident sucht den Dialog mit bewaffneten Gruppen, die sich einem 2016 geschlossenen Abkommen verschliessen (paz total). Alle Ratsmitglieder sprachen ihre Unterstützung aus, auch die Schweiz. Die Regierung fordert eine Ausweitung des Mandats der UNO-Mission, damit diese auch zusätzliche Abkommen mit solchen Gruppen überwacht. Dazu soll der Generalsekretär einen Vorschlag machen.

 

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