Lesetipp
Humanitäre Hilfe im Wandel
von Markus Mugglin
| August 2016
Katastrophen, wo man auch hinschaut. Und die Weltgemeinschaft scheint zusehends hilflos zu sein. Ausgerechnet jetzt, da Hilfe umso dringender wäre. Sie ist aber auch anspruchsvoller geworden. Warum das so ist, erläutert der Sammelband «Humanitäre Hilfe Schweiz».
Ebola ist schon fast vergessen, jetzt verbreitet der Zika-Virus Furcht und Angst. Unlängst wurde Nepal von einer Erdbebenkatastrophe heimgesucht. Seit Jahren schon herrscht Krieg in Syrien, der Millionen in die Flucht trieb, mehr als Hunderttausend Tote forderte und die im Land verbliebenen Menschen schreckliche Not erleiden.
Die Liste der Katastrophengebiete liesse sich beliebig verlängern. Doch da die Angst vor Terroranschlägen inzwischen auch in Europa umgeht, droht vergessen zu gehen, wie schlimm die Lage in fernen Regionen ist. Angesichts der aktuellen Welt-Unordnung sollte man jetzt allerdings besser wissen als bisher, dass sich Katastrophen und ihre Folgen nicht mehr ausgrenzen lassen. – und Hilfe sich deshalb aus ureigenem Interesse aufdrängt.
Aber Hilfe wie? Hilfe wie eh und je? Oder stellen sich neue Fragen, wenn es um humanitäre Hilfe geht. Ist humanitäre Hilfe so klar abzugrenzen von Entwicklungshilfe, wie die unterschiedlichen Begriffspaare den Anschein erwecken? Gibt es auch fragwürdige Trends in der Hilfe oder – wie zuweilen despektierlich gemeint – in der Hilfe-Industrie? Wie wappnen sich Helferorganisationen gegen eine allfällige Hilfsmüdigkeit? Laufen sie Gefahr, sich fragwürdiger Medienberichterstattung zu bedienen? Wie steht es mit dem Rückhalt der vielen Hilfsorganisationen. Wer sind die Spenderinnen und Spender der kaum mehr überblickbaren Zahl von Hilfsorganisationen?
Diese und viele weitere Fragen werden im Sammelband «Humanitäre Hilfe Schweiz, Eine Zwischenbilanz» aufgegriffen. Offen und klar. Offen auch, wenn es keine abschliessenden und eindeutige Antworten gibt. Beschrieben und analysiert von rund zwei Dutzend Autorinnen und Autoren bzw. in Interviews von befragten Fachpersonen. Die meisten sind Vertreter von Hilfsorganisationen – wie IKRK-Präsident Peter Maurer, Glückskette-Direktor Tony Burgener, der Delegierte der schweizerischen humanitären Hilfe, Manuel Belser und sein Vorgänger Toni Frisch. Zu Wort kommen auch Wissenschaftler und Journalisten wie der Afrika-Korrespondent von Radio SRF Patrik Wülser und SRG-Generaldirektor Roger de Weck. Aber auch die beiden Herausgeber Walter Rüegg und Christoph Wehrli und andere mehr. Der Sammelband wird vervollständigt mit informativen Anhängen zu den zahlreichen in der Schweiz tätigen Hilfswerken und mit Tabellen über die von der Schweiz aus geleisteten Hilfszahlungen.
Eines wird klar: Die humanitäre Hilfe verändert sich wie sich auch die Welt verändert. Das IKRK sieht sich gezwungen, vermehrt in nicht offenen Konflikten tätig zu sein, also Konflikten ohne klare Frontlinien wie es früher meist der Fall war. Es kommt hinzu, dass eine steigende Zahl von Menschen von kriegerischen Konflikten betroffen ist. Wie weit reicht humanitäre Hilfe, wann beginnt die Hilfe für eine langfristige Entwicklung? In sogenannt fragilen Staaten, einem neuen Schwerpunkt der schweizerischen Entwicklungszusammenarbeit drängt sich die enge Verflechtung der Ansätze ganz besonders auf. Denn kümmert sich die humanitäre Hilfe nur darum, die schlimmste Not zu lindern, ist das der Nährboden für eine nächste Katastrophe.
Die Nothelfer sind sich ihrer begrenzten Möglichkeiten bewusst. Um das Leiden zu beenden, braucht es mehr als nur ihren Einsatz. Es braucht politische Lösungen. Hier stösst die humanitäre Hilfe an ihre Grenze. Das ist aber kein Argument, um weniger zu tun. Angesichts des Versagens in der aktuellen Politik bleibt für die notleidende Bevölkerung oft nur die Alternative, das humanitäre Engagement zu verstärken. Wie das geschehen soll, dafür schärft der Sammelband das Bewusstsein.
Walter Rüegg, Christoph Wehrli (Hrsg.), Humanitäre Hilfe Schweiz, Eine Zwischenbilanz, Verlag Neue Zürcher Zeitung 2016, 376 Seiten
Ebola ist schon fast vergessen, jetzt verbreitet der Zika-Virus Furcht und Angst. Unlängst wurde Nepal von einer Erdbebenkatastrophe heimgesucht. Seit Jahren schon herrscht Krieg in Syrien, der Millionen in die Flucht trieb, mehr als Hunderttausend Tote forderte und die im Land verbliebenen Menschen schreckliche Not erleiden.
Die Liste der Katastrophengebiete liesse sich beliebig verlängern. Doch da die Angst vor Terroranschlägen inzwischen auch in Europa umgeht, droht vergessen zu gehen, wie schlimm die Lage in fernen Regionen ist. Angesichts der aktuellen Welt-Unordnung sollte man jetzt allerdings besser wissen als bisher, dass sich Katastrophen und ihre Folgen nicht mehr ausgrenzen lassen. – und Hilfe sich deshalb aus ureigenem Interesse aufdrängt.
Aber Hilfe wie? Hilfe wie eh und je? Oder stellen sich neue Fragen, wenn es um humanitäre Hilfe geht. Ist humanitäre Hilfe so klar abzugrenzen von Entwicklungshilfe, wie die unterschiedlichen Begriffspaare den Anschein erwecken? Gibt es auch fragwürdige Trends in der Hilfe oder – wie zuweilen despektierlich gemeint – in der Hilfe-Industrie? Wie wappnen sich Helferorganisationen gegen eine allfällige Hilfsmüdigkeit? Laufen sie Gefahr, sich fragwürdiger Medienberichterstattung zu bedienen? Wie steht es mit dem Rückhalt der vielen Hilfsorganisationen. Wer sind die Spenderinnen und Spender der kaum mehr überblickbaren Zahl von Hilfsorganisationen?
Diese und viele weitere Fragen werden im Sammelband «Humanitäre Hilfe Schweiz, Eine Zwischenbilanz» aufgegriffen. Offen und klar. Offen auch, wenn es keine abschliessenden und eindeutige Antworten gibt. Beschrieben und analysiert von rund zwei Dutzend Autorinnen und Autoren bzw. in Interviews von befragten Fachpersonen. Die meisten sind Vertreter von Hilfsorganisationen – wie IKRK-Präsident Peter Maurer, Glückskette-Direktor Tony Burgener, der Delegierte der schweizerischen humanitären Hilfe, Manuel Belser und sein Vorgänger Toni Frisch. Zu Wort kommen auch Wissenschaftler und Journalisten wie der Afrika-Korrespondent von Radio SRF Patrik Wülser und SRG-Generaldirektor Roger de Weck. Aber auch die beiden Herausgeber Walter Rüegg und Christoph Wehrli und andere mehr. Der Sammelband wird vervollständigt mit informativen Anhängen zu den zahlreichen in der Schweiz tätigen Hilfswerken und mit Tabellen über die von der Schweiz aus geleisteten Hilfszahlungen.
Eines wird klar: Die humanitäre Hilfe verändert sich wie sich auch die Welt verändert. Das IKRK sieht sich gezwungen, vermehrt in nicht offenen Konflikten tätig zu sein, also Konflikten ohne klare Frontlinien wie es früher meist der Fall war. Es kommt hinzu, dass eine steigende Zahl von Menschen von kriegerischen Konflikten betroffen ist. Wie weit reicht humanitäre Hilfe, wann beginnt die Hilfe für eine langfristige Entwicklung? In sogenannt fragilen Staaten, einem neuen Schwerpunkt der schweizerischen Entwicklungszusammenarbeit drängt sich die enge Verflechtung der Ansätze ganz besonders auf. Denn kümmert sich die humanitäre Hilfe nur darum, die schlimmste Not zu lindern, ist das der Nährboden für eine nächste Katastrophe.
Die Nothelfer sind sich ihrer begrenzten Möglichkeiten bewusst. Um das Leiden zu beenden, braucht es mehr als nur ihren Einsatz. Es braucht politische Lösungen. Hier stösst die humanitäre Hilfe an ihre Grenze. Das ist aber kein Argument, um weniger zu tun. Angesichts des Versagens in der aktuellen Politik bleibt für die notleidende Bevölkerung oft nur die Alternative, das humanitäre Engagement zu verstärken. Wie das geschehen soll, dafür schärft der Sammelband das Bewusstsein.
Walter Rüegg, Christoph Wehrli (Hrsg.), Humanitäre Hilfe Schweiz, Eine Zwischenbilanz, Verlag Neue Zürcher Zeitung 2016, 376 Seiten
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