Editorial
Österreich: Präsidialsysteme und Rechtspopulismus
von SGA-Präsidentin Gret Haller
| Juni 2016
Wenn Rechtspopulisten an die Macht drängen, erweisen sich Präsidialsysteme als riskant. Eine Entpersonalisierung der Politik stärkt die Demokratie.
In Österreich muss der zweite Wahlgang ins Bundespräsidium wiederholt werden. So hat es der Verfassungsgerichtshof entschieden. Dass ein rechtspopulistischer Kandidat im ersten Wahlgang überhaupt obenaus schwingen konnte, war bereits ein Alarmzeichen. Es reiht sich ein in andere Ängste, die Europa gegenwärtig umtreiben. Ist in Frankreich eine Wahl von Marine Le Pen zur französischen Präsidentin 2017 möglich geworden?
Alle rechtspopulistischen Parteien in Europa verbindet ihre Anfeindung der Europäischen Union, die bis zur Forderung nach einer Volksabstimmung über den Austritt aus der EU gehen kann. Der Brexit ist bereits beschlossen worden. In Staaten wie der Schweiz, die nicht – oder noch nicht – Mitglied der EU geworden sind, zeigt sich die selbe Geisteshaltung in einem verbissenen Kampf gegen einen EU-Beitritt. Das Phänomen des wiederaufkommenden Nationalismus ist ein gesamteuropäisches und vergleichende Betrachtungen sind nützlich.
Nationalistische Parteien tendieren zu einer Schwächung der Demokratie, indem sie an die Stelle einer differenzierten Beurteilung politischer Fragestellungen Schlagworte setzen. Damit wollen sie die Leute bei Ressentiments und Hassgefühlen abholen. Darüber hinaus wird eine differenzierte Beurteilung durch die Identifikation mit Personen ersetzt. Personalisierung ist ein probates Mittel, die demokratische Auseinandersetzung abzuwürgen. Natürlich braucht die Politik Personen, welche ihre Ideen verständlich vertreten können. In der Demokratie müssen aber Ideen hinterfragbar bleiben – absolute Gefolgschaft zu Führerpersönlichkeiten haben keinen Platz.
Populistische Angriffe gelten auch rechtsstaatlichen Garantien. In Ungarn, Polen und nicht zuletzt in der Türkei werden die Verfassungsgerichte geschwächt oder ihre Entscheide ignoriert. Parlamentsmehrheiten werden missbraucht, um die Strukturen in Richtung mehr präsidialer Macht zu verändern und damit die Rolle der Parlamente zu schwächen. Einen solchen Versuch der Ausserkraftsetzung des Parlamentes haben die Rechtspopulisten auch in der Schweiz unternommen, allerdings nicht zugunsten präsidialer Macht, sondern zugunsten des «Volkes»: Die Durchsetzungsinitiative der SVP stellte einen massiven Angriff auf den schweizerischen Rechtsstaat dar. Eine grosse Mehrheit eben dieses Volkes hat dies durchschaut.
Europaweit wollen Rechtspopulisten mehr direkte Demokratie, insbesondere Entscheide zur Europäischen Union. Die «Alternative für Deutschland» verlangt die Volkswahl des deutschen Bundespräsidenten, der heute mit guten Gründen durch ein erweitertes Parlament gewählt wird. In Österreich wurde man sich angesichts des rechtspopulistischen Kandidaten mit Schrecken bewusst, wie viele Kompetenzen die Verfassung von 1929 dem Präsidenten damals eingeräumt hatte, auch wenn diese nie beansprucht worden sind. In den Händen von Rechtspopulisten können präsidiale Regierungssysteme gefährlich werden. Aktuell wird dies in den beiden ältesten Präsidialsystemen USA und Frankreich durch die Kandidaten Trump und Le Pen.
Vor diesem Hintergrund kann sich die Schweiz glücklich schätzen, dass sie die Demokratie seit jeher radikal entpersonalisiert hat. Der jährlich rotierende Vorsitz von Bundesrat und Parlament würde auch dann noch längst nicht gefährlich, wenn man zu längeren Amtsperioden übergehen würde. Und die Volkswahl des Bundesrates wurde 2013 von mehr als drei Vierteln der Stimmenden abgelehnt. Schade nur, dass die lautstarken Forderungen nach mehr direkter Demokratie aus den nationalistischen Lagern Europas alles andere übertönen und eine sachliche Diskussion dieses Themas verhindern. Der erwähnte Volksentscheid von 2013, die Annahme der Asylgesetzrevision am 5. Juni und noch deutlicher die Ablehnung der Durchsetzungsinitiative am 28. Februar beweisen nämlich, dass direkte Demokratie nichts zu tun hat mit Rechtspopulismus.
In Österreich muss der zweite Wahlgang ins Bundespräsidium wiederholt werden. So hat es der Verfassungsgerichtshof entschieden. Dass ein rechtspopulistischer Kandidat im ersten Wahlgang überhaupt obenaus schwingen konnte, war bereits ein Alarmzeichen. Es reiht sich ein in andere Ängste, die Europa gegenwärtig umtreiben. Ist in Frankreich eine Wahl von Marine Le Pen zur französischen Präsidentin 2017 möglich geworden?
Alle rechtspopulistischen Parteien in Europa verbindet ihre Anfeindung der Europäischen Union, die bis zur Forderung nach einer Volksabstimmung über den Austritt aus der EU gehen kann. Der Brexit ist bereits beschlossen worden. In Staaten wie der Schweiz, die nicht – oder noch nicht – Mitglied der EU geworden sind, zeigt sich die selbe Geisteshaltung in einem verbissenen Kampf gegen einen EU-Beitritt. Das Phänomen des wiederaufkommenden Nationalismus ist ein gesamteuropäisches und vergleichende Betrachtungen sind nützlich.
Nationalistische Parteien tendieren zu einer Schwächung der Demokratie, indem sie an die Stelle einer differenzierten Beurteilung politischer Fragestellungen Schlagworte setzen. Damit wollen sie die Leute bei Ressentiments und Hassgefühlen abholen. Darüber hinaus wird eine differenzierte Beurteilung durch die Identifikation mit Personen ersetzt. Personalisierung ist ein probates Mittel, die demokratische Auseinandersetzung abzuwürgen. Natürlich braucht die Politik Personen, welche ihre Ideen verständlich vertreten können. In der Demokratie müssen aber Ideen hinterfragbar bleiben – absolute Gefolgschaft zu Führerpersönlichkeiten haben keinen Platz.
Populistische Angriffe gelten auch rechtsstaatlichen Garantien. In Ungarn, Polen und nicht zuletzt in der Türkei werden die Verfassungsgerichte geschwächt oder ihre Entscheide ignoriert. Parlamentsmehrheiten werden missbraucht, um die Strukturen in Richtung mehr präsidialer Macht zu verändern und damit die Rolle der Parlamente zu schwächen. Einen solchen Versuch der Ausserkraftsetzung des Parlamentes haben die Rechtspopulisten auch in der Schweiz unternommen, allerdings nicht zugunsten präsidialer Macht, sondern zugunsten des «Volkes»: Die Durchsetzungsinitiative der SVP stellte einen massiven Angriff auf den schweizerischen Rechtsstaat dar. Eine grosse Mehrheit eben dieses Volkes hat dies durchschaut.
Europaweit wollen Rechtspopulisten mehr direkte Demokratie, insbesondere Entscheide zur Europäischen Union. Die «Alternative für Deutschland» verlangt die Volkswahl des deutschen Bundespräsidenten, der heute mit guten Gründen durch ein erweitertes Parlament gewählt wird. In Österreich wurde man sich angesichts des rechtspopulistischen Kandidaten mit Schrecken bewusst, wie viele Kompetenzen die Verfassung von 1929 dem Präsidenten damals eingeräumt hatte, auch wenn diese nie beansprucht worden sind. In den Händen von Rechtspopulisten können präsidiale Regierungssysteme gefährlich werden. Aktuell wird dies in den beiden ältesten Präsidialsystemen USA und Frankreich durch die Kandidaten Trump und Le Pen.
Vor diesem Hintergrund kann sich die Schweiz glücklich schätzen, dass sie die Demokratie seit jeher radikal entpersonalisiert hat. Der jährlich rotierende Vorsitz von Bundesrat und Parlament würde auch dann noch längst nicht gefährlich, wenn man zu längeren Amtsperioden übergehen würde. Und die Volkswahl des Bundesrates wurde 2013 von mehr als drei Vierteln der Stimmenden abgelehnt. Schade nur, dass die lautstarken Forderungen nach mehr direkter Demokratie aus den nationalistischen Lagern Europas alles andere übertönen und eine sachliche Diskussion dieses Themas verhindern. Der erwähnte Volksentscheid von 2013, die Annahme der Asylgesetzrevision am 5. Juni und noch deutlicher die Ablehnung der Durchsetzungsinitiative am 28. Februar beweisen nämlich, dass direkte Demokratie nichts zu tun hat mit Rechtspopulismus.
Kolumne
Der EWR ist von gestern, nicht für morgen
von alt Nationalrat Hans-Jürg Fehr | April 2023
Vor dreissig Jahren wäre der Beitritt der Schweiz zum Europäische Wirtschaftsraum EWR eine gute Lösung gewesen. Das Stimmvolk wollte nicht. In jüngster Zeit wird er von gewissen politischen Kreisen wieder propagiert. Aber heute wäre er eine schlechte Lösung.
Kolumne
Schulterschluss zwischen Bund und Kantonen in der Europapolitik
von Thomas Moser* | April 2023
Der bilaterale Weg zwischen der Schweiz und der EU ist ein Spiel, das von den Verteidigungsreihen dominiert wird. Seit 2007 werden keine wichtigen Verträge mehr abgeschlossen. Die Verhandlungen enden torlos. Als der Bundesrat am 29. März 2023 in Aussicht stellte, die Sondierungsgespräche mit der EU abzuschliessen und bis Ende Juni ein Verhandlungsmandat zu erarbeiten, verwies er auf die Kantone. Der Dialog mit ihnen habe es ermöglicht, für die Staatsbeihilfen und Zuwanderungsfragen konkrete Lösungsansätze zu definieren.