Wochenrückblick

Schweiz im Sicherheitsrat / KW 41

von Johann Aeschlimann | Oktober 2023
Israel-Palästina: der Angriff der Hamas auf israelische Zivilisten und der israelische Gegenschlag im Gazastreifen beschäftigten den Rat. Er «konsultiert» hinter geschlossenen Türen, aber er bringt nichts zustande. Nach einer zweiten Sitzung erklärte der brasilianische Ratspräsident am Freitag, die Mitglieder hätten ihn ersucht, «weiterhin auf eine gemeinsame Position zur Lage hinzuarbeiten». Das Optimum wäre eine Resolution, die einen Waffenstillstand gebietet. Ein realistisches Ziel die Einigung auf Worte – eine «Präsidialerklärung», welche den kleinsten gemeinsamen Nenner der 15 Ratsmitglieder in Sprache fasst. Solche Erklärungen werden ausgehandelt und durch Entscheid der Mitglieder (ohne Vetomöglichkeit) formell verabschiedet. Die letzte zu Israel-Palästina datiert vom vergangenen Februar. Sie wurde – gerade auch von der Schweiz – als Verdienst und Fortschritt hervorgehoben, weil es die erste seit mehreren Jahren war. Der Text zielte vor allem auf die illegale Siedlungstätigkeit Israels im besetzten Westjordanland und die Vertreibung palästinensischer Einwohner durch die Gewalt radikaler israelischer Siedler. Die Worte «Gaza» und «Hamas» kommen nicht vor. Vor und nach der geschlossenen Ratssitzung jagten sich die Stellungnahmen vor der Presse am Saaleingang: Russland, China, die arabischen Staaten, der UNO-Generalsekretär, die britische Vertreterin traten auf. Die Britin sagte, sie setze sich gegen eine weitere Ausbreitung des Kriegs auf andere Staaten und für die Errichtung eines Fluchtwegs für die belagerte Zivilbevölkerung im Gazastreifen ein. Die Schweiz teilte in einer elektronischen Verlautbarung mit, sie habe in der Ratssitzung die Angriffe verurteilt («eingeschlossenen Terrorakte und Raketenbeschuss durch Hamas gegen Israel») und «alle Parten aufgerufen, die Zivilbevölkerung zu schützen und die Verpflichtungen des humanitären Völkerrechts einzuhalten».

Syrien Golan: Hinter verschlossenen Türen hat der Rat sich über die UNO-Blauhelmtruppe auf den von Israel annektierten syrischen Golan-Höhen (UNDOF – UN Disengagement Observer Force) unterrichten lassen. Israel hat im Zuge seiner Vergeltungsschläge zwei syrische Flugplätze bombardiert.

Ukraine: Auf Begehren der Ukraine hat der Rat sich mit dem Angriff auf das Dorf Hroza befasst, bei dem durch eine russische Rakete mindestens 52 Personen getötet wurden. Die zuständige UNO-Untergeneralsekretärin erklärte, Zivilisten und zivile Infrastruktur in der Ukraine seien unter «nahezu konstantem Beschuss». Sie betonte, dass der von Russland begonnene Krieg ein Bruch der UNO-Charta sei, und sie rief die Bestimmungen des humanitären Völkerrechts in Erinnerung, die Angriffe auf Zivilisten und zivile Einrichtungen verbieten. Jüngsten gesicherten Zahlen des UNO-Hochkommissars für Menschenrechte zufolge sind dem Krieg in der Ukraine 27768 Zivilpersonen zum Opfer gefallen, die wirkliche Zahl liegt wohl höher. Mit Ausnahme Russlands forderten alle Ratsmitglieder Einhaltung des Völkerrechts und Schutz der Zivilbevölkerung. Auch die Schweiz. Sie sagte: «Alle Konfliktparteien müssen zu jeder Zeit zwischen Zivilisten und Kämpfenden unterscheiden, ebenso zwischen zivilen Einrichtungen und militärischen Zielen». Und wörtlich : Par ailleurs, lorsque des objectifs militaires sont attaqués, les principes de précaution et de proportionnalité doivent être respectés. Les attaques indiscriminées et disproportionnées sont interdites par le droit international humanitaire et doivent  cesser immédiatement.

 Afrikanische Union : Eine Woche nach dem Besuch im Hauptquartier der Afrikanischen Union (AU) in Addis Abeba hat der Rat sich mit den Vorschlägen des Generalsekretärs über eine verstärkte Zusammenarbeit zwischen beiden Institutionen befasst. Er fordert unter anderem die Finanzierung von AU-geführten Friedenssicherungsoperationen durch das UNO-Blauhelm-Budget, das aus abgestuften Beiträgen der 193 Mitgliedsstaaten finanziert wird. Die Schweiz unterstützt den Vorschlag. Sie bot an, «auf konstruktive Weise einen Beitrag zu leisten».

Irak: Die Chefin der UNO-Mission im Irak (UNAMI) stellt dem Land ein gutes Zeugnis aus. Eine Reform des Bankwesens, die Verabschiedung eines Budgets und eines Sozialversicherungsgesetzes seien gute Grundlagen für Stabilität und Fortschritt. Sie warnte jedoch vor «Bedrohungsmultiplikatoren» - in erster Linie ein wachsender Mangel an Wasser, verschärft durch die bis Mitte Jahrhundert erwartete Verdoppelung der Bevölkerung. Mehrere Ratsmitglieder – so die afrikanischen und auch die Schweiz – nannten die Wasserknappheit einen starken Beleg dafür, dass der Klimawandel als Faktor der Friedenssicherung deutlicher zu berücksichtigen sei.

Kolumbien: Das Friedensabkommen zwischen der Regierung und der «Revolutionären Volksarmee» (FARC) bleibt fragil, weil dissidente FARC-Abspaltungen ausserhalb stehen und ehemalige FARC-Kämpfer nicht genügend Schutz vor Vergeltungsakten erhalten. Der UNO-Sondergesandte pries die Anstrengungen von Präsident Petro und wies auf eine soeben verkündete Waffenruhe zwischen Regierung und Rebellen hin. Die UNO-Mission solle an dessen Überwachung beteiligt werden, was eine Ausweitung ihres Mandats bedeutet. Die USA winkten ab. Die Schweiz begrüsste die Waffenruhe als ersten Schritt zu einem Abkommen. Sie forderte die kolumbianische Justiz auf, die Straflosigkeit gegenüber «konfliktbezogener Gewalt» nicht zu tolerieren.

Schweizer Erklärungen:
Wochenrückblick

Schweiz im Sicherheitsrat KW 16/2024

von jaeschlimann | April 2024
Themen der Woche: Palästina, Israel-Gaza-Iran, UNRWA, Jemen, Ukraine, Libyen, Westsahara, Sudan, OSZE, Jugend