Wochenrückblick

Schweiz im Sicherheitsrat / KW 45

von Johann Aeschlimann | November 2023

Gaza: Der Rat hat eine weitere Sitzung zum Krieg mit einer Schweigeminute für die Opfer eröffnet und anschliessend die gewohnten Argumente ausgetauscht. Operationell geht es um fein ziselierte Unterschiede zwischen «Waffenstillstand», «Waffenruhe», «humanitärer Waffenruhe» und «humanitärer Pause». Was in the field Sache ist, schilderte der Direktor der Weltgesundheitsorganisation: Sie hat Angriffe auf 25 medizinische Einrichtungen in Israel und 250 im Gazastreifen  verifiziert. Dort ist die Hälfte aller Spitäler funktionsunfähig. 27 000 Personen sind verwundet. Ärzte operieren ohne Anästhesie.  70 Prozent der 10800 Toten sind Frauen und Kinder.  «Im Schnitt wird in Gaza alle 10 Minuten ein Kind getötet». Die Schweiz wiederholte, ihre Position: Das humanitäre Völkerrecht gilt uneingeschränkt, und medizinische Einrichtungen dürfen nie angegriffen werden. Ein IKRK-Konvoi zum Al-Quds-Spital sei beschossen worden, «und wir haben Kenntnis von anderen Fällen». Die 10 nichtständigen Ratsmitglieder (elected 10 – E10) versuchen sich an einem Resolutionstext, der die Vetos von Russland, China und den USA umgeht. Unter den zehn ist Einigkeit erreicht worden, mit welchen Inhalten dies möglich ist. Die strittigen Punkte bleiben die klare Benennung der Hamas-Mordtaten vom 7. Oktober als «Terrorismus», die Waffenruhe zur humanitären Versorgung der Zivilisten im Gazastreifen, die Freilassung der Hamas-Geiseln, die Einhaltung des Völkerrechts, der Menschenrechte und – an Israel gerichtet – des Kriegsrechts. Dass die E10 sich zusammenraufen, ist keine Selbstverständlichkeit, die politische Spannweite reicht von den Vereinigten Arabischen Emiraten, die als Sprachrohr der islamischen Staaten auftreten, bis zu Albanien, das sich als verlängerter Arm der USA gebärdet. Der Effort ist von Malta angekündigt worden, aber es gibt im Gegensatz zu anderen Ratsgeschäften keine «Federführerin» (penholder). Die Schweiz ist aktiv dabei und bemüht, ihre Prioritäten einzubringen. (Siehe Artikel «Ja? Enthaltung? Wieviel Neutralität?»).


Ukraine: Die Ukraine hat am 7. November die von Russland eroberte Stadt Donetsk beschossen und 6 Zivilisten getötet. Russland nahm dies zum Anlass, eine Ratssitzung zu beantragen und die ukrainische Regierung der «bewaffneten Aggression gegen das eigene Volk» zu bezichtigen. Der zuständige UNO-Experte beschrieb «nahezu tägliche» russische Angriffe auf ukrainische Zivilisten und zivile Einrichtungen. Die Schweiz erklärte, das Kriegsrecht gelte uneingeschränkt für alle Seiten. Sie wiederholte, was sie zur Ukraine immer sagt: Russland soll den Krieg beenden und sich aus besetztem ukrainischem Gebiet zurückziehen. Sie sagte dasselbe in einer von Russland einberufenen Sitzung zum Thema «verschleppte Kinder». In dem von Russland begonnenen Krieg seien 550 Kinder getötet worden, und zwei von drei ukrainischen Kindern hätten ihr Zuhause verlassen müssen.


Sudan: Die Region Abyei zwischen Sudan und Südsudan war Schauplatz eines der sudanesischen Kriege in den Nullerjahren und gemäss einem Friedensprotokoll aus dem Jahr 2005 eine entmilitarisierte Sonderverwaltungszone. Sie wird von einer UNO-Truppe (UNISFA) patrouilliert, deren Mandat in der kommenden Woche ausläuft. Die zuständigen UNO-Beamten erstatteten Bericht. Die Hauptsorge: Der neu entflammte Krieg zwischen zwei Generälen im Sudan wirft die fragile Lage in Abyei aus dem Gleichgewicht. Die Schweiz hob wie die meisten anderen Ratsmitglieder die «wesentliche Rolle» der UNISFA hervor, die unter anderem Aufgaben der nicht existenten Polizei übernimmt.


ICC in Libyen: Der für die strafrechtliche Aufarbeitung von Vorgängen in Libyen zuständige Ankläger des Internationalen Strafgerichtshofs (International Criminal Court ICC) sagte dem Rat, er mache Fortschritte. Er plant, die wichtigsten Fälle aus der Zeit nach dem Sturz Muammar el-Ghadafis (2011) bis Ende 2025 vor Gericht zu bringen. Die Schweiz unterstützte den Effort im Rat und las nach der Sitzung vor dem Pressemikrophon eine gemeinsame Erklärung aller jetzigen und für die nächsten zwei Jahre gewählten Ratsmitglieder vor, welche die Gründungsurkunde des ICC («Römer Statut») unterschrieben haben und das Gericht unterstützen.


Internationaler Gerichtshof: Der Rat hat – parallel mit der Generalversammlung – 5 neue Mitglieder a den Internationalen Gerichtshof in Den Haag (International Court of Justice – nicht zu verwechseln mit dem oben erwähnten ICC) gewählt.


Wochenrückblick

Schweiz im Sicherheitsrat KW 16/2024

von jaeschlimann | April 2024
Themen der Woche: Palästina, Israel-Gaza-Iran, UNRWA, Jemen, Ukraine, Libyen, Westsahara, Sudan, OSZE, Jugend