Lesetipp
Friedensdiplomatie im Kleinen
von
Christoph Wehrli
| Februar 2020
Mit Erfahrungsberichten von sechs Personen gibt Anne Gloor Einblick in die Praxis der Friedensförderung. Diese gleicht oft einem diplomatischen Balanceakt, verlangt viel Geduld und besitzt keinerlei Erfolgsgarantie.
Von den traditionellen Guten Diensten, namentlich von der diplomatischen Vertretung eines Staats, der mit einem anderen gebrochen hat, redet man öfters. Die explizit so genannte Friedensförderung in zumeist innerstaatlichen Konflikt- und Nachkonfliktsituationen steht weniger im Rampenlicht. Ein Büchlein mit konkreten Beispielen verspricht ein Stück weit Abhilfe. Die Verfasserin, Anne Gloor, schreibt auf der Grundlage eigener Erfahrungen und von Gesprächen mit anderen Praktikern. 2009 gründete sie mit Unterstützung von Hansjörg Wyss die Stiftung Peacenexus, die ihrerseits mit Beratung und Ausbildung zur Friedensförderung beiträgt.
Schritte der Vertrauensbildung
Die Missionen, aus deren Kontext die Erzählungen stammen, galten (meistens in den 2000er Jahren) der Überwachung eines Waffenstillstands (Georgien, Sudan), der Sicherung geordneter Wahlen (Nepal, Moçambique) oder der Suche nach einer neuen verfassungsmässigen Teilung der Macht (Somalia, Sri Lanka). Ein Erfolgsbeispiel stammt aus dem Sudan: Die Einhaltung des Waffenstillstands mit den sudsudanesischen Rebellen wurde 2002 bis 2005 von einer tripartiten Kommission (Konfliktparteien und internationale Mitglieder) kontrolliert, und durch diese Tätigkeit wuchs allmählich Vertrauen – in den gemischten Teams und darüber hinaus. Dazu trug auch ein Medien-Besuchstag bei, den Lisa Ibscher, eine von 15 Entsandten aus der Schweiz, organisierte. Dass die Verselbständigung des Südsudans, Resultat des Friedensprozesses, dort in einen neuen Krieg mündete, deprimiert umso mehr.
Wie diffizil es ist, nur schon Gespräche zu vermitteln, zeigt eine Episode vor einem Treffen der sri-lankischen Konfliktparteien 2006 in einem Tagungszentrum bei Genf. Die Botschafterin Colombos sah, wie ein tamilischer Koch freudig den Vertreter der Befreiungstiger begrüsste, und drohte mit der Abreise der Delegation, die der Koch sonst ganz gewiss vergiften werde. Erst recht kann schulmeisterliches Auftreten einem Dialog hinderlich sein. Und wenn man stets Hoffnungen auf «die Zivilgesellschaft» setzt, so zeigt Gloors detaillierte Schilderung einer von ihr geleiteten Versammlung in Moçambique, welche Rivalitäten und Gegensätze auch unter diesen Akteuren spielen. In diesem Fall gelang es, mehrere Organisationen für die Wahlbeobachtung zusammenzuführen. Auch rasches Eingreifen kann einmal erforderlich sein. Als im Westen Nepals kurz vor Wahlen sechs «Maoisten», ehemalige Aufständische, erschossen worden waren, flog Markus Heiniger kurzerhand in einem gecharterten Helikopter hin, um, mit Erfolg, eine Eskalation zu verhindern.
Die Schweiz agiert nicht allein
Expertise aus der Schweiz scheint nicht zuletzt wegen ihrer Erfahrung mit Föderalismus gefragt. Julian Hottinger begab sich indessen nicht mit Rezepten nach Somalia, sondern erkundete zuerst einmal die Bedürfnisse der Bevölkerungsgruppen. Das Land sei ethnisch und religiös relativ homogen, Spannungen bestünden vielmehr zwischen dem Clansystem und einem modernen Staat. Die Neutralität der Eidgenossenschaft ist in den Texten kein Thema. Deutlich wird gerade, dass auch Schweizerinnen und Schweizer in der Friedensförderung oft in einem Netz mehrerer Staaten oder im Rahmen einer Uno-Mission tätig sind.
Wichtig sind in jedem Fall die persönlichen Fähigkeiten, das heisst Fachkompetenz und Geschick. Die Autorin hebt denn auch die handelnden Menschen hervor; selbst der gewaltsame Tod eines Militärbeobachters in Georgien und die gute Reaktion im Verteidigungsdepartement sind Thema eines Gesprächs. Allerdings werden die Begleitumstände der Arbeit gelegentlich zur Hauptsache, und die in der Einleitung angekündigte «Ausgestaltung von Details» gewinnt Eigendynamik, wenn etwa, leicht herablassend, ausgemalt wird, wie sudanesischen Journalisten in einem Helikopter zumute sein mag. Doch Anne Gloor präsentiert ausdrücklich «Geschichten» und erhebt nicht den Anspruch, ein vollständiges Bild der Friedensförderung zu vermitteln. Sicher kann das Büchlein als Anregung dienen.
Anne Gloor: Friedenbauen. Geschichten von der Arbeit in Krisengebieten. Zytglogge, Basel 2019. 139 S., Fr. 26.-.
Von den traditionellen Guten Diensten, namentlich von der diplomatischen Vertretung eines Staats, der mit einem anderen gebrochen hat, redet man öfters. Die explizit so genannte Friedensförderung in zumeist innerstaatlichen Konflikt- und Nachkonfliktsituationen steht weniger im Rampenlicht. Ein Büchlein mit konkreten Beispielen verspricht ein Stück weit Abhilfe. Die Verfasserin, Anne Gloor, schreibt auf der Grundlage eigener Erfahrungen und von Gesprächen mit anderen Praktikern. 2009 gründete sie mit Unterstützung von Hansjörg Wyss die Stiftung Peacenexus, die ihrerseits mit Beratung und Ausbildung zur Friedensförderung beiträgt.
Schritte der Vertrauensbildung
Die Missionen, aus deren Kontext die Erzählungen stammen, galten (meistens in den 2000er Jahren) der Überwachung eines Waffenstillstands (Georgien, Sudan), der Sicherung geordneter Wahlen (Nepal, Moçambique) oder der Suche nach einer neuen verfassungsmässigen Teilung der Macht (Somalia, Sri Lanka). Ein Erfolgsbeispiel stammt aus dem Sudan: Die Einhaltung des Waffenstillstands mit den sudsudanesischen Rebellen wurde 2002 bis 2005 von einer tripartiten Kommission (Konfliktparteien und internationale Mitglieder) kontrolliert, und durch diese Tätigkeit wuchs allmählich Vertrauen – in den gemischten Teams und darüber hinaus. Dazu trug auch ein Medien-Besuchstag bei, den Lisa Ibscher, eine von 15 Entsandten aus der Schweiz, organisierte. Dass die Verselbständigung des Südsudans, Resultat des Friedensprozesses, dort in einen neuen Krieg mündete, deprimiert umso mehr.
Wie diffizil es ist, nur schon Gespräche zu vermitteln, zeigt eine Episode vor einem Treffen der sri-lankischen Konfliktparteien 2006 in einem Tagungszentrum bei Genf. Die Botschafterin Colombos sah, wie ein tamilischer Koch freudig den Vertreter der Befreiungstiger begrüsste, und drohte mit der Abreise der Delegation, die der Koch sonst ganz gewiss vergiften werde. Erst recht kann schulmeisterliches Auftreten einem Dialog hinderlich sein. Und wenn man stets Hoffnungen auf «die Zivilgesellschaft» setzt, so zeigt Gloors detaillierte Schilderung einer von ihr geleiteten Versammlung in Moçambique, welche Rivalitäten und Gegensätze auch unter diesen Akteuren spielen. In diesem Fall gelang es, mehrere Organisationen für die Wahlbeobachtung zusammenzuführen. Auch rasches Eingreifen kann einmal erforderlich sein. Als im Westen Nepals kurz vor Wahlen sechs «Maoisten», ehemalige Aufständische, erschossen worden waren, flog Markus Heiniger kurzerhand in einem gecharterten Helikopter hin, um, mit Erfolg, eine Eskalation zu verhindern.
Die Schweiz agiert nicht allein
Expertise aus der Schweiz scheint nicht zuletzt wegen ihrer Erfahrung mit Föderalismus gefragt. Julian Hottinger begab sich indessen nicht mit Rezepten nach Somalia, sondern erkundete zuerst einmal die Bedürfnisse der Bevölkerungsgruppen. Das Land sei ethnisch und religiös relativ homogen, Spannungen bestünden vielmehr zwischen dem Clansystem und einem modernen Staat. Die Neutralität der Eidgenossenschaft ist in den Texten kein Thema. Deutlich wird gerade, dass auch Schweizerinnen und Schweizer in der Friedensförderung oft in einem Netz mehrerer Staaten oder im Rahmen einer Uno-Mission tätig sind.
Wichtig sind in jedem Fall die persönlichen Fähigkeiten, das heisst Fachkompetenz und Geschick. Die Autorin hebt denn auch die handelnden Menschen hervor; selbst der gewaltsame Tod eines Militärbeobachters in Georgien und die gute Reaktion im Verteidigungsdepartement sind Thema eines Gesprächs. Allerdings werden die Begleitumstände der Arbeit gelegentlich zur Hauptsache, und die in der Einleitung angekündigte «Ausgestaltung von Details» gewinnt Eigendynamik, wenn etwa, leicht herablassend, ausgemalt wird, wie sudanesischen Journalisten in einem Helikopter zumute sein mag. Doch Anne Gloor präsentiert ausdrücklich «Geschichten» und erhebt nicht den Anspruch, ein vollständiges Bild der Friedensförderung zu vermitteln. Sicher kann das Büchlein als Anregung dienen.
Anne Gloor: Friedenbauen. Geschichten von der Arbeit in Krisengebieten. Zytglogge, Basel 2019. 139 S., Fr. 26.-.
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von Christoph Wehrli | Mai 2022
Die in einem neuen Band publizierten Diplomatischen Dokumente der Schweiz (Dodis) aus den Jahren 1976 bis 1978 illustrieren eine gewisse Anpassung der Aussenpolitik an den internationalen Kontext. Neue Akzente wurden in der Menschenrechtspolitik gesetzt, während Wirtschaftsinteressen ihr Gewicht behielten.
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Entwicklungshilfe seit je Interessenpolitik
von René Holenstein* | März 2022
In einer neuen Publikation lässt der emeritierte Professor Jacques Forster die wichtigen Etappen der Geschichte der Nord-Süd-Beziehungen Revue passieren. Sie vermittelt spannendes Hintergrundwissen und liefert aktuelle Orientierungshilfen für alle, die sich für Entwicklungspolitik interessieren.
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Numa Droz – Das Auswärtige in einer Hand
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Bundesrat Numa Droz leitete von 1888 bis 1892 als Erster ein vom Amt des Bundespräsidenten losgelöstes «Departement des Äusseren». In die Amtszeit des sehr aktiven Magistraten fielen Spannungen mit dem Deutschen Reich und wichtige Wirtschaftsverhandlungen.