Lesetipp
Meere und Märkte
von Markus Mugglin
| Oktober 2021
Eine schnelle Reise um die Welt im Zeichen der geopolitischen Grosswetterlage bietet die Publikation «Meere und Märkte». Gleichsam Historisches passiere, wohin es führt, lässt sich aber erst in groben Zügen erahnen. Eine nützliche Bestandsaufnahme.
Der Titel «Meere und Märkte» mag Erinnerungen an Häfen und Meeresfrüchte wecken, an grosse Fischauslagen und ihre Düfte, an geschäftiges Treiben, an die Faszination fremder Welten und Gebräuche. In der 124 Seiten umfassenden Publikation geht es um fremde Welten, aber nicht um Exotik. Sie handelt vielmehr von Macht und Mächten, Machtverschiebungen und Einflusssphären. Oder wie es klärend auf dem Cover heisst: «Geopolitik 2.0 als Schlüssel zur weltpolitischen Aktualität». Die beiden Autoren Philippe Welti und Daniel Woker, beide während mehr als 30 Jahren in diplomatischen Diensten der Schweiz (EDA) tätig, bieten eine «geopolitische Reise um die Welt».
Die Geopolitik ist bekanntlich zurück. Das voreilig vor 30 Jahren ausgerufene Ende der Geschichte hat sich als naiv herausgestellt. Rund um den Globus ist die Trendwende auszumachen – in Asien, in den USA, im Verhältnis der westlichen Welt unter der Führung der USA zu Russland und ganz besonders zu China. Das atlantische Zeitalter neigt sich ihrem Ende zu, legen Welti und Woker dar. Es werde vom pazifischen abgelöst. Die beiden ehemaligen Botschafter, die unter dem Namen «Share-an-Ambassador / Geopolitik von Experten» auftreten, richten ihren Blick folgerichtig besonders auf den pazifischen Raum, auf die Veränderungen in dieser Grossregion mit Südost-, Ost- und Nordasien, mit Ozeanien und der Westküste der USA. Hier bilden sich neue Bündnisse, zum Teil im Widerstreit zu China, zum Teil in Kooperation mit dem «Reich der Mitte».
Neue Bündnisse in der Pazifikregion
Die wenig geläufigen Kürzel QUAD, CPTPP und RCEP stehen dafür. QUAD steht für «Quadrilateral Security Dialogue», CPTPP für «Comprehensive and Progressive Agreement for Trans-Pacific Partnership», RCEP für «Regional Comprehensive Economic Partnership», zu denen Welti und Woker die Grundinformationen und deren Entwicklung wiedergeben sowie deren Potenziale andeuten. Bei QUAD und CPTPP ist China ausgeschlossen, bei RCEP, die zur weltweit grössten Freihandelszone werden soll, ist das Reich der Mitte hingegen dabei.
Vor allem QUAD scheint von wachsender Bedeutung zu sein. Ihm gehören neben den USA Japan, Indien und Australien an. Nachdem auch Indien seine Zurückhaltung gegenüber China aufgegeben habe, stehe QUAD für die offen zugegebene Frontstellung gegen Chinas Expansion, bewerten die Autoren den Zusammenschluss. Unter Joe Biden wollen die USA dieses Bündnis weiter stärken. Das stellten die Autoren fest noch bevor sich dieses Ansinnen mit dem U-Boot-Geschäft zwischen den USA und Australien auf Kosten Frankreichs und mit dem erstmaligen Gipfeltreffen der QUAD-Regierungschefs in Washington bestätigt hat.
Militärisch spannen die Länder mit Manövern ihrer Seestreitkräfte zusammen. Über die sicherheitspolitische Zusammenarbeit hinaus richtet sich das Bündnis mit Infrastruktur-Projekten gegen die chinesische Seidenstrasse.
Welti und Woker gehen in diesem Kontext insbesondere auf die neue Orientierung ein, die Indien unter seinem jetzigen Präsidenten Modi einschlägt. Er setze sich immer deutlicher vom früheren Kurs der Blockfreiheit ab.
Der Persische Golf, das Mittelmeer bzw. «Europa muss seinen Hinterhof von Teilen des Mittleren Ostens bis in die Sahelzone Afrikas selbst verteidigen» und die Atlantische Gemeinschaft als Wertegemeinschaft sind weitere Kapitel der Publikation. Die Titel geben programmatisch klare Richtungen vor – die zuweilen Widerrede provozieren mögen, aber auch dazu anregen können, sich vermehrt mit aufgeworfenen Fragen zu befassen. Eines wird klar: Vieles ist in Bewegung mit ungewissem Ausgang.
«Smartbook» nennt sich die Publikation. Mit «smart» ist die Möglichkeit gemeint, 16 Vertiefungsartikel zu einem Thema mit dem Smartphone anklicken und öffnen zu können – wie beispielsweise zu den Grössenverhältnissen in Asien-Pazifik, zum definierenden Konflikt des 21. Jahrhunderts oder den strategischen Stärken-Verhältnissen in Asien.
Und die Schweiz bei alledem?
Für die wirtschaftlich stark und vielfältig mit der Welt verbundene Schweiz drängen sich auch neue Fragen auf. Welcher Art diese sein könnten, darüber würde man gerne mehr erfahren, auch wenn es für klare Antworten noch zu früh sein mag. Doch die Autoren beschränken sich im wesentlichen auf ihre Einschätzung zu den aktuellen Beziehungen der Schweiz zu Europa, die sich «auf einem seit dem Zweiten Weltkrieg nicht mehr erlebten Tiefstand» befänden.
Philippe Welti / Daniel Woker, Meere und Märkte, Geopolitik 2.0 als Schlüssel zur weltpolitischen Aktualität, mit einem Prolog von Mark Dittli (The Market NZZ), 124 Seiten, Fr. 33.00 (inkl. Versandkosten über NZZ-Shop) https://shop.nzz.ch/publikationen/buecher/10302/meere-und-maerkte?c=1387
Der Titel «Meere und Märkte» mag Erinnerungen an Häfen und Meeresfrüchte wecken, an grosse Fischauslagen und ihre Düfte, an geschäftiges Treiben, an die Faszination fremder Welten und Gebräuche. In der 124 Seiten umfassenden Publikation geht es um fremde Welten, aber nicht um Exotik. Sie handelt vielmehr von Macht und Mächten, Machtverschiebungen und Einflusssphären. Oder wie es klärend auf dem Cover heisst: «Geopolitik 2.0 als Schlüssel zur weltpolitischen Aktualität». Die beiden Autoren Philippe Welti und Daniel Woker, beide während mehr als 30 Jahren in diplomatischen Diensten der Schweiz (EDA) tätig, bieten eine «geopolitische Reise um die Welt».
Die Geopolitik ist bekanntlich zurück. Das voreilig vor 30 Jahren ausgerufene Ende der Geschichte hat sich als naiv herausgestellt. Rund um den Globus ist die Trendwende auszumachen – in Asien, in den USA, im Verhältnis der westlichen Welt unter der Führung der USA zu Russland und ganz besonders zu China. Das atlantische Zeitalter neigt sich ihrem Ende zu, legen Welti und Woker dar. Es werde vom pazifischen abgelöst. Die beiden ehemaligen Botschafter, die unter dem Namen «Share-an-Ambassador / Geopolitik von Experten» auftreten, richten ihren Blick folgerichtig besonders auf den pazifischen Raum, auf die Veränderungen in dieser Grossregion mit Südost-, Ost- und Nordasien, mit Ozeanien und der Westküste der USA. Hier bilden sich neue Bündnisse, zum Teil im Widerstreit zu China, zum Teil in Kooperation mit dem «Reich der Mitte».
Neue Bündnisse in der Pazifikregion
Die wenig geläufigen Kürzel QUAD, CPTPP und RCEP stehen dafür. QUAD steht für «Quadrilateral Security Dialogue», CPTPP für «Comprehensive and Progressive Agreement for Trans-Pacific Partnership», RCEP für «Regional Comprehensive Economic Partnership», zu denen Welti und Woker die Grundinformationen und deren Entwicklung wiedergeben sowie deren Potenziale andeuten. Bei QUAD und CPTPP ist China ausgeschlossen, bei RCEP, die zur weltweit grössten Freihandelszone werden soll, ist das Reich der Mitte hingegen dabei.
Vor allem QUAD scheint von wachsender Bedeutung zu sein. Ihm gehören neben den USA Japan, Indien und Australien an. Nachdem auch Indien seine Zurückhaltung gegenüber China aufgegeben habe, stehe QUAD für die offen zugegebene Frontstellung gegen Chinas Expansion, bewerten die Autoren den Zusammenschluss. Unter Joe Biden wollen die USA dieses Bündnis weiter stärken. Das stellten die Autoren fest noch bevor sich dieses Ansinnen mit dem U-Boot-Geschäft zwischen den USA und Australien auf Kosten Frankreichs und mit dem erstmaligen Gipfeltreffen der QUAD-Regierungschefs in Washington bestätigt hat.
Militärisch spannen die Länder mit Manövern ihrer Seestreitkräfte zusammen. Über die sicherheitspolitische Zusammenarbeit hinaus richtet sich das Bündnis mit Infrastruktur-Projekten gegen die chinesische Seidenstrasse.
Welti und Woker gehen in diesem Kontext insbesondere auf die neue Orientierung ein, die Indien unter seinem jetzigen Präsidenten Modi einschlägt. Er setze sich immer deutlicher vom früheren Kurs der Blockfreiheit ab.
Der Persische Golf, das Mittelmeer bzw. «Europa muss seinen Hinterhof von Teilen des Mittleren Ostens bis in die Sahelzone Afrikas selbst verteidigen» und die Atlantische Gemeinschaft als Wertegemeinschaft sind weitere Kapitel der Publikation. Die Titel geben programmatisch klare Richtungen vor – die zuweilen Widerrede provozieren mögen, aber auch dazu anregen können, sich vermehrt mit aufgeworfenen Fragen zu befassen. Eines wird klar: Vieles ist in Bewegung mit ungewissem Ausgang.
«Smartbook» nennt sich die Publikation. Mit «smart» ist die Möglichkeit gemeint, 16 Vertiefungsartikel zu einem Thema mit dem Smartphone anklicken und öffnen zu können – wie beispielsweise zu den Grössenverhältnissen in Asien-Pazifik, zum definierenden Konflikt des 21. Jahrhunderts oder den strategischen Stärken-Verhältnissen in Asien.
Und die Schweiz bei alledem?
Für die wirtschaftlich stark und vielfältig mit der Welt verbundene Schweiz drängen sich auch neue Fragen auf. Welcher Art diese sein könnten, darüber würde man gerne mehr erfahren, auch wenn es für klare Antworten noch zu früh sein mag. Doch die Autoren beschränken sich im wesentlichen auf ihre Einschätzung zu den aktuellen Beziehungen der Schweiz zu Europa, die sich «auf einem seit dem Zweiten Weltkrieg nicht mehr erlebten Tiefstand» befänden.
Philippe Welti / Daniel Woker, Meere und Märkte, Geopolitik 2.0 als Schlüssel zur weltpolitischen Aktualität, mit einem Prolog von Mark Dittli (The Market NZZ), 124 Seiten, Fr. 33.00 (inkl. Versandkosten über NZZ-Shop) https://shop.nzz.ch/publikationen/buecher/10302/meere-und-maerkte?c=1387
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