Entwicklungspolitik vor grosser Wende? (IV. Teil)
von Martin Fässler, Berater für internationale Zusammenarbeit, ehemaliger Stabchef Direktion für Entwicklung und Zusammenarbeit (DEZA)
| Mai 2015
Auch die Schweiz als eines der reichsten Länder wird Verpflichtungen eingehen müssen. Und ob sie diese einhält, wird kontrolliert werden. Was ist zu erwarten?
Die Entwicklungspolitik zielte lange vor allem auf die Bewältigung begrenzter Probleme armer Länder. Ihr Anspruch geht heute weiter. Die Gestaltung globaler Entwicklung und Vermeidung weltweiter Risiken sind vordringlich geworden. Entwicklungspolitik wird zur globalen Strukturpolitik. Der SDG-Katalog unterstreicht die Verantwortung sowohl der Industrie- als auch der Schwellen- und Entwicklungsländer für globale Entwicklung. Der Schutz des Erdsystems, die Umstellung auf kohlenstoffarme, ökologisch nachhaltige und sozial gerechte Entwicklungspfade, der klimaverträgliche Umbau von Energiesystemen, nachhaltige Städteentwicklung und Landnutzung, zukunftstaugliche Wohlstandsmodelle werden Schlüsselthemen der internationalen Zusammenarbeit.
Die Schweiz rangiert laut KOF Globalisierungsindex 2014 (2) in der Gruppe von 15 Ländern, die am stärksten globalisiert sind. Was die Direktinvestitionen im Ausland betrifft, ist die Schweiz Nummer zwei. Sie gilt als wichtiger Standort und Entscheidungszentrum der wirtschaftlichen Globalisierung. Die Entwicklung der Schweiz hat auch Auswirkungen auf globale Ökosysteme: Klimawandel, Verbrauch natürlicher Ressourcen, Konsum weltweit gehandelter Güter und Dienstleistungen.
Aufgrund der weltweiten Verflechtung ist die Schweiz gefordert, globale Verantwortung wahrzunehmen und ihre Instrumente der internationalen Zusammenarbeit weiter zu entwickeln. Eine umfassende internationale Zusammenarbeit ist notwendig, die mit Industrie-, Schwellen- und Entwicklungsländern gleichermassen und auf einem ungleich höheren Niveau erfolgt.
SDG-kompatible Schweiz
Nachfolgend einige Punkte für eine SDG-kompatible Ausrichtung der internationalen Zusammenarbeit der Schweiz:
• Entwicklungspolitik wird zur globalen Entwicklungspolitik und einem Motor globalen Wandels. Die Entwicklungszusammenarbeit in ihrer bisherigen Form – konzentriert auf einzelne Entwicklungsländer – verliert an Gestaltungskraft. Eine Entwicklungspolitik in globaler Perspektive erfordert eine Anpassung des Länder-Portfolio, den Auf- und Ausbau von Kooperationsprogrammen in unterschiedlichen Ländergruppen. Der Beitrag der Schweiz in Bezug auf die Umsetzung der SDG Agenda sollte ein besonderes Gewicht auf die Erarbeitung und Unterstützung von nachhaltigkeitsorientierten Transformationsprozessen in Schwellen- und Entwicklungsländern legen.
• Kooperationansätze und -instrumente. Die globalen wirtschaftlichen und politischen Machtverschiebungen sind vom Umbau im globalen System der Wissenschaft und Forschung begleitet, den die Internationale Zusammenarbeit gebührend berücksichtigen muss. Die Schweiz verfügt über eine solide Reputation in Wissensgebieten, die für die Bewältigung von Nachhaltigkeitsproblemen auf lokaler und globaler Ebene besonders relevant sind.
Zum Beispiel fördert das DEZA Globalprogramm Wasserinitiativen das integrierte Wasserressourcen-Management. In enger Zusammenarbeit mit Wissenschaft, Zivilgesellschaft, Privatsektor und einem fachlichen Netzwerk werden innovative Projekte in den Bereichen Zugang zu Trinkwasser, Wasser für Landwirtschaft und Industrie, grenzüberschreitende Bewirtschaftung der Wasserressourcen vorangebracht.
Die Schweiz kann im Rahmen von Vorreiter-Allianzen ihre Spezialkenntnisse und reichen Erfahrungen einbringen, um die Wasser-, Nahrungs- und Energiesicherheit sektorübergreifend zu fördern.
• Aussen- und Innenpolitik. Die SDG-Agenda macht die Bewältigung grenzüberschreitender Risiken wie Klimawandel, Ressourcenverknappung, Verminderung der Biodiversität, Wassermangel, usw. zu wichtigen Herausforderungen der Aussenpolitik. Die Umsetzung der SDG-Agenda erfordert eine verstärkte Zusammenarbeit zwischen den einzelnen Politikbereichen und zwischen staatlichen und privaten Akteuren. Die Schweiz kann die neue Qualität der Zusammenarbeit in der Nachhaltigkeitsstrategie 2016 - 2019 und der Botschaft über die Weiterführung der internationalen Zusammenarbeit 2017 - 2020 verankern. Sie kann aufzeigen, mit welchen Massnahmen sie die post-2015 Ziele erreichen will.
Die Schweiz sollte aber auch eine mit den nachhaltigen Entwicklungszielen kohärente Handels-, Investitions- und Steuerpolitik betreiben. Sie sollten folglich mit sozialen und ökologischen Mindeststandards verknüpft werden.
Die Friedenszeit in Westeuropa nach dem Zweiten Weltkrieg und die friedlichen Revolutionen nach 1989 stärkten die Hoffnung auf eine neue globale Friedensordnung. Derzeit sieht die Welt ständig neue Krisen und Kriege. Gleichwohl können die 193 Staaten im nächsten September zeigen, dass sie eine umfassende und faire globale Agenda erstellen können, um grenzüberschreitende Risiken zu bewältigen. Wenn den Staaten dies gelingen sollte, schaffen sie mehr als eine weitere Entwicklungsagenda.
Der 1. Teil der Artikelserie «Entwicklungspolitik vor grosser Wende?» ging der Frage nach, was sich ändern soll und warum? Siehe https://www.sga-aspe.ch/entwicklungspolitik-vor-grosser-wende/ ; der 2. Teil zeigte auf, dass die globalen Umweltveränderungen und die veränderte Geografie der Armut eine Neuausrichtung der Entwicklungspolitik nötig machen. Siehe https://www.sga-aspe.ch/entwicklungspolitik-vor-grosser-wende-ii/ ; im 3. Teil wurde eine Präzisierung der ökologischen Ziele für die neue Entwicklungsagenda gefordert, siehe https://www.sga-aspe.ch/entwicklungspolitik -vor-grosser-wende-iii/
(2): www.kof.ethz.ch
Die Entwicklungspolitik zielte lange vor allem auf die Bewältigung begrenzter Probleme armer Länder. Ihr Anspruch geht heute weiter. Die Gestaltung globaler Entwicklung und Vermeidung weltweiter Risiken sind vordringlich geworden. Entwicklungspolitik wird zur globalen Strukturpolitik. Der SDG-Katalog unterstreicht die Verantwortung sowohl der Industrie- als auch der Schwellen- und Entwicklungsländer für globale Entwicklung. Der Schutz des Erdsystems, die Umstellung auf kohlenstoffarme, ökologisch nachhaltige und sozial gerechte Entwicklungspfade, der klimaverträgliche Umbau von Energiesystemen, nachhaltige Städteentwicklung und Landnutzung, zukunftstaugliche Wohlstandsmodelle werden Schlüsselthemen der internationalen Zusammenarbeit.
Die Schweiz rangiert laut KOF Globalisierungsindex 2014 (2) in der Gruppe von 15 Ländern, die am stärksten globalisiert sind. Was die Direktinvestitionen im Ausland betrifft, ist die Schweiz Nummer zwei. Sie gilt als wichtiger Standort und Entscheidungszentrum der wirtschaftlichen Globalisierung. Die Entwicklung der Schweiz hat auch Auswirkungen auf globale Ökosysteme: Klimawandel, Verbrauch natürlicher Ressourcen, Konsum weltweit gehandelter Güter und Dienstleistungen.
Aufgrund der weltweiten Verflechtung ist die Schweiz gefordert, globale Verantwortung wahrzunehmen und ihre Instrumente der internationalen Zusammenarbeit weiter zu entwickeln. Eine umfassende internationale Zusammenarbeit ist notwendig, die mit Industrie-, Schwellen- und Entwicklungsländern gleichermassen und auf einem ungleich höheren Niveau erfolgt.
SDG-kompatible Schweiz
Nachfolgend einige Punkte für eine SDG-kompatible Ausrichtung der internationalen Zusammenarbeit der Schweiz:
• Entwicklungspolitik wird zur globalen Entwicklungspolitik und einem Motor globalen Wandels. Die Entwicklungszusammenarbeit in ihrer bisherigen Form – konzentriert auf einzelne Entwicklungsländer – verliert an Gestaltungskraft. Eine Entwicklungspolitik in globaler Perspektive erfordert eine Anpassung des Länder-Portfolio, den Auf- und Ausbau von Kooperationsprogrammen in unterschiedlichen Ländergruppen. Der Beitrag der Schweiz in Bezug auf die Umsetzung der SDG Agenda sollte ein besonderes Gewicht auf die Erarbeitung und Unterstützung von nachhaltigkeitsorientierten Transformationsprozessen in Schwellen- und Entwicklungsländern legen.
• Kooperationansätze und -instrumente. Die globalen wirtschaftlichen und politischen Machtverschiebungen sind vom Umbau im globalen System der Wissenschaft und Forschung begleitet, den die Internationale Zusammenarbeit gebührend berücksichtigen muss. Die Schweiz verfügt über eine solide Reputation in Wissensgebieten, die für die Bewältigung von Nachhaltigkeitsproblemen auf lokaler und globaler Ebene besonders relevant sind.
Zum Beispiel fördert das DEZA Globalprogramm Wasserinitiativen das integrierte Wasserressourcen-Management. In enger Zusammenarbeit mit Wissenschaft, Zivilgesellschaft, Privatsektor und einem fachlichen Netzwerk werden innovative Projekte in den Bereichen Zugang zu Trinkwasser, Wasser für Landwirtschaft und Industrie, grenzüberschreitende Bewirtschaftung der Wasserressourcen vorangebracht.
Die Schweiz kann im Rahmen von Vorreiter-Allianzen ihre Spezialkenntnisse und reichen Erfahrungen einbringen, um die Wasser-, Nahrungs- und Energiesicherheit sektorübergreifend zu fördern.
• Aussen- und Innenpolitik. Die SDG-Agenda macht die Bewältigung grenzüberschreitender Risiken wie Klimawandel, Ressourcenverknappung, Verminderung der Biodiversität, Wassermangel, usw. zu wichtigen Herausforderungen der Aussenpolitik. Die Umsetzung der SDG-Agenda erfordert eine verstärkte Zusammenarbeit zwischen den einzelnen Politikbereichen und zwischen staatlichen und privaten Akteuren. Die Schweiz kann die neue Qualität der Zusammenarbeit in der Nachhaltigkeitsstrategie 2016 - 2019 und der Botschaft über die Weiterführung der internationalen Zusammenarbeit 2017 - 2020 verankern. Sie kann aufzeigen, mit welchen Massnahmen sie die post-2015 Ziele erreichen will.
Die Schweiz sollte aber auch eine mit den nachhaltigen Entwicklungszielen kohärente Handels-, Investitions- und Steuerpolitik betreiben. Sie sollten folglich mit sozialen und ökologischen Mindeststandards verknüpft werden.
Die Friedenszeit in Westeuropa nach dem Zweiten Weltkrieg und die friedlichen Revolutionen nach 1989 stärkten die Hoffnung auf eine neue globale Friedensordnung. Derzeit sieht die Welt ständig neue Krisen und Kriege. Gleichwohl können die 193 Staaten im nächsten September zeigen, dass sie eine umfassende und faire globale Agenda erstellen können, um grenzüberschreitende Risiken zu bewältigen. Wenn den Staaten dies gelingen sollte, schaffen sie mehr als eine weitere Entwicklungsagenda.
Der 1. Teil der Artikelserie «Entwicklungspolitik vor grosser Wende?» ging der Frage nach, was sich ändern soll und warum? Siehe https://www.sga-aspe.ch/entwicklungspolitik-vor-grosser-wende/ ; der 2. Teil zeigte auf, dass die globalen Umweltveränderungen und die veränderte Geografie der Armut eine Neuausrichtung der Entwicklungspolitik nötig machen. Siehe https://www.sga-aspe.ch/entwicklungspolitik-vor-grosser-wende-ii/ ; im 3. Teil wurde eine Präzisierung der ökologischen Ziele für die neue Entwicklungsagenda gefordert, siehe https://www.sga-aspe.ch/entwicklungspolitik -vor-grosser-wende-iii/
(2): www.kof.ethz.ch
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